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Kolumne | Auf den Zweiten Blick

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Kolumne | Auf den Zweiten Blick

Erstmals erscheint es möglich, dass eine grüne Partei die Richtlinienkompetenz in diesem Land erringt. Die Umfragewerte nach dem Regierungsversagen in der Coronakrise sprechen dafür.

Und tatsächlich haben die Grünen das nicht schlecht gemacht – zumindest das Spitzen-Duo aus Annalena Baerbock und Robert Habeck. Sie haben in den Pandemiezeiten weitgehend den Mund gehalten, sich jede Besserwisserei verboten, um die wundersame Zustimmungsvermehrung, die sich hierzulande seit ein paar Jahren zeigt, nicht durch eine unpassende Bemerkung wie etwa seinerzeit den „Veggieday“ zu stören. Selbst nach der spektakulären Entschuldigung von Angela Merkel haben sie auf Polemik verzichtet.

Inzwischen kann man sogar lesen, wie sie sich die Republik nach den Bundestagwahlen vorstellen. Ihr Wahlprogramm ist veröffentlicht und mit „Alles ist drin“ überschrieben. Wenn es so weitergeht, könnte wirklich alles drin sein. Sogar das Kanzleramt. Viele Wähler werden wohl geneigt sein, sich – womöglich erstmals – der Idee einer grünen Bundesregierung zuzuwenden.

Ungeachtet des grünen Glanzes könnte es sich in den kommen Wochen und Monaten gleichwohl lohnen, genauer hinzuhören. Denn hinter dem lässigen Auftritt des Spitzen-Duos Baerbock und Habeck, die so tun, als gäbe es zwischen ihren im Wahlprogramm versprochenen unzähligen, ja, fast märchenhaften Vorhaben keinerlei Zielkonflikte, verbirgt sich ein überzeugter Etatismus, eine tiefes Vertrauen darein, dass die Regierung, sofern sie denn eine grüne wird, es besser weiß und besser kann. Verbrämt wird das mit dem Begriff der „sozial ökologischen Neubegründung“, die nichts anderes bedeutet als eine Kaskade von Regulierungen, mit denen die Grünen endlich das erzwingen wollen, wofür sie seit Jahren kämpfen: einen ökologischen Staat, in dem die Regierung bestimmt, was gutes Leben ist.

Wie etatistisch grüne Politiker wirklich denken, wenn es an die praktische Umsetzung ihrer teilweise durchaus erstrebenswerten Ziele geht, war vor einigen Tagen erst in Berlin zu beobachten. „Wir holen uns unsere Stadt zurück – und zwar Haus für Haus“, donnerte die grüne Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus Antje Kapek ohne Sinn und Verstand ihren Parteikollegen entgegen und interpretierte damit die im Wahlprogramm angekündigte grüne Wohnungspolitik unmissverständlich: Es geht um rigide Mietbremsen, einen erweiterten Mieterschutz, massenhaft staatlichen Wohnungsbau und – in Berlin – um Enteignungen.

In Berlin also haben die Grünen schon mal das Visier geöffnet, wie sie Politik verstehen. Wer die Partei im Herbst wählen will, der sollte auch diese Dinge hören.

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