Ausgedient

Kolumne | Auf den Zweiten Blick

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Ausgedient

Kolumne | Auf den Zweiten Blick

In Kolumnen sollte man nicht unbedingt persönlich werden. Doch an dieser Stelle geht es um das persönliche Verhältnis der Autorin zu Polizistinnen und Polizisten, zur personifizierten Exekutivgewalt also, so wie man ihr auf den Straßen immer wieder begegnet. Die Mehrheit der Begegnungen ist unangenehm. Schließlich hat die Autorin etwas falsch gemacht. In einer 30er-Zone ist sie 36 gefahren und wird angehalten, wegen eines flackernden Fahrradrücklichts muss sie absteigen, wird bestenfalls im Obrigkeitston belehrt und merkt: In solchen Momenten spricht kein Mensch zum Menschen, es spricht die Staatsgewalt in Offensivhaltung zu einer Delinquentin. Mehr noch: Das Polizeipersonal, das in solchen banalen Fällen der Ordnungs­widrigkeiten vor einem steht, ist in der Übermacht, so oder so bewaffnet und mit Schutzwesten versehen. War das eigentlich immer so?

Persönliche Erfahrungen sind zugegebenermaßen anekdotischer Natur und wären der Autorin nicht der Erwähnung wert, hätten unlängst nicht zwei Texte ihre Aufmerksamkeit just auf dieses Thema gelenkt. Beim ersten handelt es sich um einen klugen Leserbrief in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, mit dem der nach 44 Dienstjahren pensionierte Polizeibeamte Michael Schütte aus Hannover seine Sorge auf den Punkt bringt: „Das Leitbild und die Idee einer zivilen Bürgerpolizei haben offenbar ausgedient“, schreibt er. „Tatsächlich ist die Polizeiarbeit heute zunehmend autoritär angelegt.“ Habitus, Wahrnehmungs- und Deutungsmuster der Polizei orientierten sich immer mehr an militärischer Logik.

Der zweite Text ist das just erschienene, sehr lesenswerte Buch „Ich kämpfe für eine bessere Polizei“ von Kriminalhauptkommissar Oliver von Dobrowolski, ein Debattenbeitrag, dessen Autor – noch mit Begeisterung im Dienst und deshalb bewundernswert mutig – das zunehmende Wagenburgverhalten der Polizei analysiert. „Die größte Gefahr ist die Entfremdung (der Polizei) von der Bevölkerung“, schreibt Dobrowolski. In Teilen sei diese heute schon zu erleben. Leider, muss man dazu sagen, nicht nur in bestimmten Stadtvierteln, sondern auch in jenen Schichten, deren Anliegen oder Ordnungswidrigkeiten eher harmloser Natur sind, die sich aber gleichwohl hochgerüsteten, autoritär auftretenden Beamtinnen und Beamten gegenübersehen.

Niemand wird an dieser Stelle die von Wilderern erschossenen Beamten vergessen wollen. Keiner wird behaupten, dass es nicht liebenswürdige Polizeikräfte gibt, die den Bürgern auf Augenhöhe begegnen. Und ein jeder wird den Stress der Heerscharen von Polizistinnen und Polizisten nachvollziehen können, die sich bei Großdemonstrationen einer gewaltbereiten Menschenmenge gegenübersehen. Aber das Gros der Bevölkerung braucht etwas anderes als martialisch auftretende Uniformierte: Diese Menschen brauchen eine Polizei, die sie schützt und ihnen hilft, die nicht primär die Staats-, sondern die Bürgerinteressen in ihren Fokus stellt, die – nach Dobrowolski – zu einem Perspektivwechsel bereit und damit fähig ist, ihr Gegenüber zu verstehen. „Es macht einen Unterschied“, heißt es in dem Leserbrief, „ob Uniformträger ein ziviles und kooperatives oder ein zunehmend autoritäres und militärisch geprägtes Verständnis ihrer Aufgaben pflegen.“ Recht hat der Verfasser. Die Autorin plädiert – wie sollte es anders sein – für Ersteres.

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