Ausschlusseritis

Kolumne | Aus dem Bannaskreis

24
07
24
07

Ausschlusseritis

Kolumne | Aus dem Bannaskreis

Gerhard Schröder mag es wie ein Déjà-vu vorkommen. 1995, auf dem SPD-Parteitag in Mannheim, wo der Vorsitzende Rudolf Scharping gestürzt und Oskar Lafontaine zu seinem Nachfolger gewählt wurde, hatte sich Schröder, damals Ministerpräsident von Niedersachsen, gegen Vorhaltungen zu wehren. Seine Rede begann er so: „Dass Fehler gemacht worden sind, auch von mir, keine Frage. Aber einen Vorwurf akzeptiere ich nicht, nämlich den, ich hätte mit meiner Art, politisch zu arbeiten, der Partei geschadet.“ Laut Protokoll gab es „Widerspruch“ im Saal. Immerhin: Anträge auf Einleitung von Parteiordnungsverfahren, Schröder aus der SPD auszuschließen, gab es nicht, damals.

Nun aber werden 17 Anträge dieser Art vor der Schiedskommission des für Schröder zuständigen SPD-Unterbezirks Hannover verhandelt – wegen seiner Freundschaft mit Putin, seines Engagements in der russischen Gaswirtschaft und seiner Bewertung des russischen Überfalls auf die Ukraine. Erstmals könnte ein ehemaliger Bundeskanzler aus seiner Partei ausgeschlossen werden.

Helmut Kohl ist das nicht widerfahren, obwohl er seiner Partei durch seine gesetzeswidrige Art, Spenden einzutreiben, fraglos geschadet hatte: Geldstrafen, Wahlniederlagen. Doch Kohl gehörte der CDU an. Und die SPD rangiert in einer Wikipedia-Übersicht „prominenter“ Parteiordnungsverfahren mit weitem Abstand auf dem „ersten“ Platz. Nicht einmal 30 Ausschlussverfahren gab es seit 1949 (zusammengenommen!) in den Unionsparteien, der FDP, den Grünen und den vielen sonstigen Parteien. Allein in der SPD aber sind es fast 50. Keine Partei machte von der zurückhaltend formulierten – einzelne Mitglieder eigentlich schützenden – Regelung im Parteiengesetz „Ein Mitglied kann nur dann aus der Partei ausgeschlossen werden, wenn es vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt“ so ausgiebig Gebrauch wie die SPD.

Wissenschaftler waren darunter: Christoph Butterwegge und Arnulf Baring. Der Kabarettist Wolfgang Neuss und der Liedermacher Franz-Josef Degenhardt. Viele Vertreter des linken Flügels wie etwa Klaus Uwe Benneter, Karl-Heinz Hansen und Detlev von Larcher. Aus der DDR der Stasi-Spitzel Ibrahim Böhme. Ehemalige Spitzenbeamte wie Thilo Sarrazin. Und nicht zuletzt zwei frühere Minister in Schröders Bundeskabinetten: Karl-Heinz Funke (Landwirtschaft) und Wolfgang Clement (Wirtschaft und Arbeit), der in seinem sich über Jahre hinziehenden Verfahren von Otto Schily, dem vormaligen Innenminister Schröders, verteidigt wurde.

Nach dem Links-Rechts-Schema waren die Fälle gänzlich unterschiedlich gelagert. Manche Betroffene verließen die Partei „freiwillig“. Rückkehrer gab es auch. Andere wiederum gingen provozierend durch alle Instanzen, bis zur SPD-Bundesschieds­kommission. Gemein ist den Beteiligten – Antragstellern wie Betroffenen – der Hang zur Rechthaberei. Oder handelt es sich um die Kehrseite von Prinzipienfestigkeit, Treue und des SPD-Anspruchs, „Programmpartei“ zu sein? Schröder jedenfalls hat wissen lassen: „Ich bin und bleibe Sozialdemokrat.“ Im August wird man weitersehen.

Weitere Artikel dieser Ausgabe