Bedingt
einsatzbereit –

– beim Impfen, im Katastrophenschutz, bei den Spezialkräften – und im Verteidigungsfall. Zur Lage der Bundeswehr

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DPA-ZENTRALBILD/JENS BÜTTNER
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DPA-ZENTRALBILD/JENS BÜTTNER

Bedingt
einsatzbereit –

– beim Impfen, im Katastrophenschutz, bei den Spezialkräften – und im Verteidigungsfall. Zur Lage der Bundeswehr

Seit Ostern impfen Soldaten im 24-Stunden-Betrieb gegen Covid. Im saarländischen Lebach hat die Bundeswehr Deutschlands erstes Impfzentrum im Dauerbetrieb aufgezogen – 28 weitere könnten die Streitkräfte bieten, so Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Das militärische Handwerk, die Ablauforganisationen hochzufahren, wirkt besonders leistungsstark im Kontrast zur zerfaserten Pandemie-Politik von Bund und Ländern.

Der wertvolle Hilfsbeitrag des Militärs gefällt und glänzt vor Politik und Öffentlichkeit. Unbeachtet bleibt, dass er auch die großen Probleme der Bundeswehr aufzeigt – auf Kante genähte Ressourcen und ungenügende Strukturen. Die Streitkräfte können ihre Amtshilfe nur mit improvisierten regionalen Führungsstäben leisten, die von den Teilstreitkräften aufgebaut wurden. Die für Katastrophenfälle vorgesehene territoriale Struktur über die Landeskommandos ist zu schwach. Unter anderem füllen beide Panzerdivisionen des Heeres die Lücke mit Stäben. Gerade diese Großkampfverbände wären jedoch ad hoc und intensiv gefordert, käme es zu militärischen Eskalationen an der Nato-Ostflanke. Die latente Gefahr dazu zeigen aktuell die Truppenmassierungen Russlands gegenüber der Ukraine. Für Mai haben Ministerin und Generalinspekteur „Eckpunkte“ für eine bessere Streitkräftestruktur angekündigt – angesichts des nahen Endes der Legislaturperiode nur noch als Vorschläge. Die Kärrnerarbeit dafür kann erst die kommende Regierung leisten.

Aufs Gleis gesetzt wurde noch der „Freiwillige Wehrdienst im Heimatschutz“. Zum Monatsanfang begannen erste Rekruten ihre Grundausbildung. Eine Marketingmaßnahme, um junge Leute für die Bundeswehr zu werben, und der Versuch, langfristig die 30 schmalen Heimatschutzeinheiten in den Ländern personell zu unterfüttern. Deren bereits bescheidene Sollstärke von 120 Mann wird fast nie erreicht. Das Konzept: In sieben Monaten werden die Rekruten für einen Reservedienst von fünf Monaten ausgebildet, der in den folgenden sechs Jahren zu leisten ist. Die Schwerpunkte: Objektbewachung, Hilfe bei ABC-Einsätzen und Feldjägerdienste wie Verkehrsführung. Aufgaben mit dem Fokus, die aktive Truppe zu entlasten – vom Katastrophenschutz bis zur Landes- und Bündnisverteidigung. Zum Auftakt wurde das Wehrressort nicht müde, herauszustreichen, wie gut die Rekrutierung laufe. Allerdings ist die Ambition nur ein Mindestniveau: rund 1000 Rekruten im Jahr für ganz Deutschland. Entscheidend wird sein, ob dieses Ziel konstant verfolgt wird, damit über die Jahre die Heimatschutzeinheiten aufwachsen.

Konstanz hat auf jeden Fall der Unruheherd Kommando Spezialkräfte (KSK). Ende 2019 wurde bekannt, dass rechtsradikale Umtriebe in der Eliteeinheit ein Arbeitsschwerpunkt des MAD sind. Die Ermittlungen offenbarten eine inkonsequente Führung des Verbands. Trotz Auflösung einer Kompanie samt laufender Reform des KSK sorgt der jahrelange Schlendrian für stetig weitere Offenbarungseide. Zurzeit geht es um die massenhaft unterschlagene Munition in der Truppe. Gegen den jetzigen Kommandeur läuft eine Untersuchung wegen einer Amnestieaktion zur Rückholung der Fehlbestände.

Selbst wenn die Nachwehen des KSK-Umbaus einmal abklingen, wird ein Problem bleiben, das sich nicht wegreformieren lässt. Die Stimmung in dem kleinen Spezialkräfteverband ist massiv vergiftet. Briefe an Abgeordnete des Bundestages und Wortmeldungen von KSK-Soldaten in den Medien zeigen, dass dort Reformer gegen selbst ernannte Loyalisten stehen, die sich als Opfer einer Hexenjagd sehen.

In Deutschlands maximal zurückhaltender Militärdoktrin spielt das Werkzeug Spezialkräfte keine essenzielle Rolle. Ein strategisches Problem ist dagegen die anhaltende Rüstungsmisere. Das Kernproblem: Beschaffungsvorhaben werden regelmäßig in absehbare Sackgassen gesteuert. Zum Beispiel der schwere Transporthubschrauber. Dessen Preis wurde nach den Basismodellen der Anbieter kalkuliert. Unberücksichtigt blieben die technischen Sonderwünsche sowie ein stets teurer Abkauf von Rechten zu Wartung und Weiterentwicklung für die deutsche Industrie – eine Vorgabe des Bundestages. Die Beschaffung wurde folglich zu teuer und musste abgebrochen werden. Zurzeit bereitet das Verteidigungsministerium einen neuen Anlauf vor, der bis Ende Juni stehen soll. Klar ist: Eine substanzielle Reform der Bundeswehr-Rüstung gelang bis dato nicht und wird eine Großaufgabe für die kommende Regierung.

Die Etat-Lage für die Streitkräfte bleibt unsicher. Die neuesten Eckwerte zum Wehretat bis 2025 von Ende März bilden nicht das Finanzvolumen ab, um das 2018 beschlossene Streitkräftekonzept umzusetzen. Das sieht vor, die Bundeswehr bis 2032 zu einer „Rahmennationenarmee“ zu ertüchtigen, die über eine breite Fähigkeitspalette kleinere europäische Armeen andocken kann. Dafür veranschlagt die Bundeswehr Ausrüstungsinvestitionen von 130 Milliarden Euro über die laufende Dekade. Parallel dazu soll der Etat zum Unterhalt auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anwachsen. Laut Eckwerten steigt der Einzelplan 14 im nächsten Jahr an, um danach zu fallen.

Modellrechnungen des Lehrstuhls für Militärökonomie der Bundeswehr-Universität München kommen auf eine Unterfinanzierung des Verteidigungshaushalts von 15 Prozent. Der unangenehme Ausblick für die Bundeswehr: Das Rahmennationenkonzept überzeugt bei den Nato-Partnern. Allerdings betrachtet man es dort als einen deutschen Mindestbeitrag zur Verteidigung, nicht als großen Aufschlag, der Abstriche zulässt.

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