BürgerInnen*, hört die Signale

Rot-Rot-Grün im Bund ist keine Gefahr, sondern eine Chimäre – derweil Lindner lauert

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FREDERIC KERN/GEISLER-FOTOPRESS (2), PICTURE ALLIANCE | EVENTPRESS STAUFFENBERG
Wahlverwandtschaften 2021: Könnten sie am Ende im Herbst ein Regierungstrio bilden? Olaf Scholz, Annalena Baerbock und Christian Lindner
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Wahlverwandtschaften 2021: Könnten sie am Ende im Herbst ein Regierungstrio bilden? Olaf Scholz, Annalena Baerbock und Christian Lindner

BürgerInnen*, hört die Signale

Rot-Rot-Grün im Bund ist keine Gefahr, sondern eine Chimäre – derweil Lindner lauert

Manche Ängste haben sich bei einer großen Zahl der Deutschen im Erbgut abgelagert. Da ist zuerst die Furcht vor Inflation, die sich in Kriegs- und Nachkriegszeiten im kollektiven Genom abgelagert hat. Dicht gefolgt von der Angst vor dem Kommunismus, die sich in etwa in der gleichen Zeit herausgebildet hat.

Die vorherrschende aktuelle Mutante der Kommunismus-Angst ist nach Zusammenbruch des Ostblocks die Angst vor einer Linksfront, also Rot-Rot-Grün als Regierungskoalition. Weil sich diese Sorgen in den vergangenen Jahren zum Teil zurückgebildet haben, kann man auch eher von einer Restante als von einer Mutante sprechen. Immer wieder vor Bundestagswahlen kommt es zu neuen Wellen dieser Furcht. Spreader sind insbesondere die Politikerinnen und Politiker der Linken, die sich an diesem Wochenende zu ihrem Parteitag treffen. Dazu natürlich politische Gegner oder Wettbewerber, die die Angst vor diesem Regierungsmodell schüren, um politischen Profit daraus zu schlagen. Und gelegentlich flammt die Sorge auf, wenn Juso-Vorsitzende ihren Sehnsüchten nach Verstaatlichung ganzer Industriebranchen öffentlich freien Lauf lassen.

Aus der Luft gegriffen sind Vorbehalte gegen Rot-Rot-Grün nicht. Denn es gibt politische Hot Spots, an denen sich berechtige Vorbehalte erweisen. Seit Jahr und Tag regiert in Berlin eine rot-rot-grüne Koalition, deren Dysfunktionalität nur mit viel schwarzem Humor zu ertragen ist. Zu unseren Kindertagen lief im Fernsehen eine Schwarz-Weiß-Serie mit einer Kinderschar, deren munteren Mitgliedern alles entglitt, was sie in die Hände nahmen oder bekamen. An diese „Kleinen Strolche“ fühlt man sich bei Berlins Regierung immer wieder erinnert. Nur, dass es leider oft gar nicht mehr lustig ist. Fröhlicher Dilettantismus werkelt da vor sich hin, und man wundert sich schon gar nicht mehr, wenn eine Gesundheitssenatorin verkündet, Impfstoff werde schon bald in Berlin produziert, was sich innerhalb von Stunden als Unsinn erweist. Ebenso wie möglicherweise die Mietpreisbremse, die vor dem höchsten deutschen Gericht auf ihr Urteil wartet.

Zugleich regiert die gleiche linke Dreierkoalition mit einem linken Ministerpräsidenten an der Spitze in Thüringen nicht völlig fortunefrei. Bodo Ramelow mag quartalsweise von etwas feudal-monarchischen Wallungen angewandelt zu sein – und dann wieder von ebenso tiefer Demut, ja, Unterwürfigkeit der CDU-Kanzlerin gegenüber. Aber das Land und dessen Regierung, wenn es nicht gerade als Grenzgebiet von Corona besonders stark heimgesucht wird, macht insgesamt unter dieser Führung keinen annähernd so fahrigen Eindruck wie das Berliner Pendant unter Führung der Sozialdemokraten und eines Regierenden Bürgermeisters Michael Müller, dem man gelegentlich meint, ansehen zu können, dass er aus dieser Position bald auf einen gemütlichen Platz in der Bundestagsfraktion der Sozialdemokraten wechseln wird.

Wovon es gar nicht so viele geben wird. Die Linke und die SPD sind inzwischen beide bedroht von einem neuen Dualismus von Union und Grünen, bei dem der FDP wie früher die Rolle eines liberalen und marktwirtschaftlichen Korrektivs zukommt. Die SPD ist in den vergangenen Jahren extrem nach links gedriftet, daran kann auch ihr Kanzlerkandidat Olaf Scholz nur geringfügig etwas ändern. Am Ende ist er Tünche in der Farbe Gerhard Schröders auf einem knallroten Parteikörper.

Diese nach links gedriftete SPD konkurriert daher mittlerweile weniger mit den Grünen, sondern vielmehr mit der Linkspartei. Unter den beiden Parteien wird es also einen Wähleraustausch geben, der am Ende aber ein Nullsummenspiel ist. Die Grünen sind absehbar die Partei, die auch im konservativen Lager – wie seinerzeit Schröder für der SPD – Stimmen zu sich herüberziehen könnten.

Nach Lage der Dinge käme daher im Bund und im September bei den Bundestagswahlen weder eine SPD-geführte noch eine von der Linkspartei geführte Linksaußen-Koalition zustande, sondern, wenn überhaupt, eine, die die Grünen anführten.

Dazu zwei Hinweise, die den einen beruhigen mögen und die andere mit Sorge erfüllen. Erstens: Wenn es bei den Grünen am Ende für den Griff nach dem Kanzleramt in einer anderen Konstellation als Schwarz-Grün reichen könnte, dann werden sie danach greifen. Aber sie werden das, zweitens, nicht machen in einer Kombination mit der Linken, sondern nur in einer grünen Ampel. Weil sie sich der Willkürlichkeit und Unberechenbarkeit linker Politik gerade im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik nicht aussetzen würden. Auf diesem Feld steht die Linke heute noch da, wo die Grünen selbst vor 25 Jahren standen.

Die beiden bevorstehenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz werden aller Voraussicht nach Signale in diese Richtung senden. Dann käme es nur noch auf die FDP an. Und Parteichef Christian Lindner muss diesmal alles tun, um in die Regierung zu kommen, wenn es sich anbietet. Die Ampel (grün oder rot angeführt) ist die einzige Option, die sich ihm da realistischerweise bieten könnte. Prognose hier und heute: Lindner würde das machen. Und dieses Mal sagen: Lieber in einer Ampel regieren, als eine linke Dreier-Koalition regieren zu lassen. Und würde dafür mit einiger Sicherheit all jene zusätzlich beglücken, bei denen sich die Aversion gegen das Linksbündnis besonders tief ins Erbgut geschrieben hat.

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