Da liegt der Hund verrührt

Postskriptum

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Da liegt der Hund verrührt

Postskriptum

Es gehört zum Selbstverständnis der politischen Mitte, ja, mag ihren Stolz auf nüchternen Wirklichkeitssinn begründen, dass Kompromisse eine gute Sache sind.

Über die Pfingsttage kam, dank des Neun-Euro-Tickets, die Bahn-Reportage – Verdichtungen im journalistischen Betriebsablauf in Böblingen, Bottrop und Bernau – zu neuen Ehren. Den ordnungs­politischen Unsinn aus verbilligten Fahrscheinen für den schon zuvor überlasteten Regionalverkehr und subventioniertem Benzin (von dem dann auch die Mineralölkonzerne ihren Anteil einstreichen; Marktwirtschaft à la FDP) beklagten Ökonominnen ebenso landauf, landab. Weitgehend einig ist sich die Zunft, dass umwegige, ineffiziente und zeitlich begrenzte Sonderrabatte weder sozial noch volkswirtschaftlich von Vorteil sind.

Warum aber hat die Ampelkoalition dennoch ein solches Sammelsurium an unstimmigen Schnellschüssen abgefeuert? Die Einsicht ist nicht eben originell, aber eine Koalition aus drei Parteien, die sich in ihrer Sicht auf Finanz-, Sozial-, Umwelt- und Verkehrspolitik kaum deutlicher voneinander unterscheiden könnten, hat selbst mit dem sprichwörtlich faulen Kompromiss Schwierigkeiten – und landet deswegen beim politischen Kalten Hund: Schokoladencreme, Keksreste, Sahne und jede Menge Zucker verrührt, über Nacht stehen gelassen und dann stolz dem darbenden Volk serviert. Wohl bekomms?

Einen gesünderen Brei zu kochen, scheitert in Deutschland an der Prämisse, wie Ralph Bollmann es in der Frankfurter Allgemeinen jüngst zusammenfasste, dass „hinterher niemand, aber auch wirklich niemand schlechter dastehen dürfe als bisher“. Wenn es aber nur Gewinner und keine Verlierer geben soll, bezahlt am Ende die Staatskasse. In Sachen Steuern darf sich aber, daraufhin hatte sich die Ampel bereits zu Beginn der Koalitionsverhandlungen einigen müssen, nichts ändern. Die Spezis von der FDP befürchteten wohl die vermeintliche Signalwirkung höherer Sätze, ganz gleich, wie sinnvoll, so sehr, dass sie sich lieber weiter den Magen mit noch mehr Süßspeise verderben wollten. Keine gute Sache.

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