Dann war ich es aber nicht

Für alle (Koalitions-)Fälle: Wie Markus Söder sich in Seeon subtil in Szene setzt

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PICTURE ALLIANCE/DPA | SVEN HOPPE
Hier komme ich: Markus Söder in Seeon
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PICTURE ALLIANCE/DPA | SVEN HOPPE
Hier komme ich: Markus Söder in Seeon

Dann war ich es aber nicht

Für alle (Koalitions-)Fälle: Wie Markus Söder sich in Seeon subtil in Szene setzt

Als Markus Söder diese Woche in Seeon bei der Klausur der CSU-Landesgruppe eintraf, lief er den kurzen Weg vom Parkplatz zum Kloster zu Fuß, ganz alleine, keine Entourage links und rechts und wie so häufig recht breitbeinig, als wollte er zeigen: Da kommt einer, dem kann wenig etwas anhaben. Er hätte den Weg auch mit dem Auto fahren können, so wie dann einen Tag später – machte er aber nicht. Söder weiß um die Macht der Bilder.

Aber wer in Seeon genau hinhört, merkt: So siegessicher, wie er sich gibt, ist er gar nicht, und deshalb auch nicht zufrieden mit dem Wahlkampf. Der aktuelle Bayerntrend sieht die CSU im Moment bei nur 36 Prozent bei der Bundestagswahl – für jede andere Partei eine gute Vorhersage, für die an absolute Mehrheiten gewohnten Christsozialen eher maue Aussichten. Schon das Bundestagswahlergebnis 2017 war mit 38,8 Prozent ein historisch schlechtes. Und auch die Union insgesamt kommt seit Wochen nicht über die 30 Prozent hinaus. Zwar liegt sie damit wieder weit vor den Grünen, zufrieden ist die CSU dennoch nicht.

Wanderwählerinnenvorhersagen

In Seeon ist mehrfach die Rede von der „maximalen Mobilisierung“, bloß kein Schlafwagen-Wahlkampf, es laufe nicht von selbst, sagt dann auch Söder. Und all das klingt immer ein bisschen so, als nehme die CSU jetzt in die Hand, was sie Laschet nach wie vor nicht zutraut. Das formulierte Ziel: Nicht nur die stärkste Kraft werden – dass das zu schaffen ist, da ist man sich schon ziemlich sicher bei der CSU, sagte Söder in Seeon – sondern auch die Kraft, gegen die nicht regiert werden kann.

Der Kampf um Platz eins habe sich bereits sortiert, analysiert Söder. Deshalb geht die CSU nun dazu über zu schauen, wohin potenzielle Unionswählerinnen abwandern könnten, außer zu den Grünen, und wendet sich entsprechend jetzt der FDP und in Bayern auch den Freien Wählern zu. Was passiert, wenn viele Wähler zu diesen beiden, sich in Teilen doch ähnelnden Parteien gehen, führte die Landtagswahl 2018 der CSU vor Augen. Rund 220 000 Wählerinnen verloren die Christsozialen damals an die Freien Wähler, so viele wie an keine andere Partei, und nochmal 80 000 an die FDP und damit auch die absolute Mehrheit. Seitdem muss sie in einer Koalition regieren.

„Maximale Mobilisierung“ heißt deshalb für die CSU auch, diejenigen an die Union zu binden, die möglicherweise überlegen, zumindest mit der Zweitstimme die Liberalen zu wählen. Das rheinische „me moss och jönne künne“ – hochdeutsch: „man muss auch gönnen können“ – passt nicht in die Strategie der CSU und ihres Vorsitzenden. Sprich, auch an die Liberalen hat man keine Stimmen zu verschenken.

Gummistiefelwahlkampf

Dass die CSU nun beim Thema Steuerentlastungen den Konflikt mit dem CDU-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten Laschet sucht, hat wohl auch damit zu tun. Denn die FDP springt genau bei diesem Thema an – verbreitet schon, wer Entlastungen wolle, müsse FDP wählen, und schielt damit auf Zweitstimmen.

Gleichzeitig vergisst die CSU die Konkurrenz durch die Grünen nicht. Denn wie schnell sich die Umfragen ändern können, hat dieser Wahlkampf schon mehrfach gezeigt. Bislang, so die Analyse, hat man vor allem von den Fehlern der Grünen profitiert, aber noch nicht von den eigenen Inhalten. Deshalb geht es nun aus Sicht der CSU darum, eigene Akzente zu setzen, sich bloß nicht treiben zu lassen und schon gar nicht hinterherzurennen. Das gilt vor allem beim Thema Klimawandel, das durch die Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz nochmal zusätzlich Bedeutung bekommen dürfte. In der kommenden Woche will Söder eine Regierungserklärung im Landtag zu Klimaschutzmaßnahmen abgeben. Solche Ereignisse können Wendepunkte im Wahlkampf sein. Das weiß die CSU – spätestens seit Edmund Stoibers Versäumnis im Wahlkampf 2002, auf die damalige Flutkatastrophe hinreichend engagiert zu reagieren – sprich: wie Gerhard Schröder in Gummistiefeln durch die Krisengebiete zu marschieren –, nur zu genau.

Koalitionsattrappen

Interessant zu beobachten ist aber auch, dass es die CSU gerade tunlichst vermeidet, über eine Koalition mit den Grünen zu sprechen, stattdessen ist immer wieder von der sogenannten Deutschlandkoalition die Rede, also einer Koalition aus Union, SPD und FDP. Das muss noch keine Koalitionsaussage sein – im Moment ist es vor allem Teil der Strategie. Denn die Fokussierung auf eine Koalition aus Union und Grünen könnte so manch unentschiedenem Wähler signalisieren: Wo auch immer du dein Kreuz machst, die Koalition steht schon fest. Die CSU will verhindern, dass genau diese Menschen auf dem Wahlzettel ihre Stimme splitten, und sendet das Signal: Wer Union will, darf nicht Grün wählen. Gleichzeitig ist es ein Zeichen an die Konservativen und Neoliberalen, die Angst haben, mit der Union kämen auch die Grünen in eine Regierung.

Dass so eine Koalition wahrscheinlich schwierig zu bilden ist, weil schon allein die SPD keine große Lust mehr hat, weitere vier Jahre mit CDU und CSU zusammenzuarbeiten: geschenkt! Es geht ausschließlich um die Botschaft und das Ziel, am Ende wieder die Regierung anführen zu können. Im Grunde dürfte es wahrscheinlich auch nicht im Sinne der CSU sein, eine solche Koalition auf Bundesebene schließen zu müssen. Denn damit säßen allein vier Parteien am Verhandlungstisch, wenn es um einen Koalitionsvertrag geht. Für die dann doch im Vergleich kleine CSU würde es das nicht leichter machen, die eigenen Projekte durchzubringen – was Teil ihres Erfolges ist – und auch noch bedeutende Ministerien zu besetzen.

Spannend wird nun zu beobachten sein, ob die Strategie der CSU in diesem Wahlkampf, der so anders ist als die vorherigen, aufgeht. Wenn aber nicht, ist Söders Vorteil: Er kann die Verantwortung an Laschet weitergeben. Dafür wird schon vorgebaut. Denn meist, wenn auf die Umfragewerte von Union und vor allem der CSU verwiesen wird, lässt Söder fallen, dass seine Zustimmungswerte nach wie vor gut seien – die subtile Botschaft: An mir liegt’s nicht!

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