Die geistesgeschichtlich-mediale Lage des heutigen Parlamentarismus

Editorial des Verlegers

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Die geistesgeschichtlich-mediale Lage des heutigen Parlamentarismus

Editorial des Verlegers

Liebe Leserinnen und Leser,

ja klar, Corona, neue Maßnahmen, Novemberregen. Bewahren wir die Nerven, denken wir an unsere Nachbarn und Mitmenschen und lächeln uns auf der Straße noch etwas deutlicher zu, damit es auch mit Maske in den Augenwinkeln sichtbar wird.

In dieser Ausgabe des Hauptstadtbriefs am Sonntag ordnet Andrea Römmele nüchtern ein, was in den vergangenen Tagen für ein gehöriges Maß an Aufregung gesorgt hat. Welche Rolle spielt das Parlament bei den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie? Wann endet die vielzitierte „Stunde der Exekutive“, wann meldet sich der Deutsche Bundestag wieder als politischer Faktor zurück? Die Direktorin der Hertie School of Governance in Berlin zeigt in ihrem Beitrag, dass die Kritik bedingt zutrifft. Völlig ohnmächtig ist das Parlament zu keiner Zeit, vielmehr unterstützt die deutliche Mehrheit der Abgeordneten, nicht nur in den Parteien der Großen Koalition, die Beschlüsse der Bundesregierung. Komplizierter ist die Frage, die Römmele aufwirft: Was kann der Bundestag angesichts der Kakophonie des politisch-medialen Prozesses tun, um sich wieder mehr Gehör zu verschaffen? „Es geht nicht darum“, schreibt Römmele, dass die Bundestagsabgeordneten nichts zu sagen hätten, „aber sie müssen sich den veränderten Kommunikationsbedingungen anpassen, um wieder Gehör zu finden. Dass die Aufmerksamkeitsökonomie grundsätzlich funktioniert, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass es den Parteien derzeit sehr gut gelingt, ihre Unzufriedenheit über die geringe Aufmerksamkeit auf die Agenda zu setzen.“

Im zweiten Beitrag dieses Hauptstadtbriefs kommt erneut die außenpolitische Expertise unserer Israel-Korrespondentin Gisela Dachs zum Tragen. Sie berichtet von dem jüngsten Abkommen Jerusalems mit dem Sudan – und den außen- und innenpolitischen Implikationen des Kurses von Benjamin Netanjahu. Dieser hat, wie Dachs schreibt, auch noch ganz andere Motive: „Für den Regierungschef unter Anklage, gegen den mittlerweile fast täglich im Land demonstriert wird, ist alles gut, was ihn als Staatsmann erscheinen lässt, der es mit den Mächtigen in der Welt aufnehmen kann.“

Mit herzlichen Grüßen verbleibe ich – bis Mittwoch, dann mit einer Sonderausgabe des Hauptstadtbriefs in Zusammenarbeit mit der German Times zu den Wahlen in den USA

Ihr Detlef Prinz

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