Die Krone des Lebens

Herzlichen Glückwunsch, Herr Präsident!

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Die Krone des Lebens

Herzlichen Glückwunsch, Herr Präsident!

Es war ein großes Glück und eine ebensolche Ehre für mich, immer wieder in den vergangenen zwei Jahrzehnten Michail Gorbatschow getroffen zu haben. Aber ein Gespräch ist mir in besonderer Erinnerung, nämlich das jüngste, das ich am 10. Oktober 2019 in Moskau mit ihm führen durfte.

Denn als ich mich verabschiedete, sagte er: „Aber meinen 90. Geburtstag feiern wir zusammen, und wir werden darauf anstoßen! Auf Freundschaft mit Deutschland und auf den Frieden in der Welt.“

Was für warme, herzliche und gute Worte aus dem Munde eines bedeutenden Staatsmannes, der zu Recht 1990 den Friedensnobelpreis verliehen bekam. Dass es zu dieser Geburtstagsfeier wegen der Coronakrise, die uns seit gut einem Jahr beschäftigt, nicht kommen kann, bedauere ich sehr, weil Michail Gorbatschow diese besondere Feier mehr als verdient hätte. Und das schreibe ich als geborener Berliner, der die Teilung der Stadt und die Teilung unseres Vaterlandes bis zum Fall der Mauer erlebt hat.

Diese besondere Feier haben Sie, lieber Michail Gorbatschow, auch deshalb verdient, weil Sie mit ihrem persönlichen Engagement Friedenspolitik gestaltet und die osteuropäischen Länder von einer Diktatur befreit haben. Viele aus meiner Generation sind Ihnen herzlichst verbunden und dankbar dafür!

Deshalb werde ich, lieber Michail Gorbatschow, Staatspräsident der Russischen Föderation a.D., das Glas erheben, auf Sie heute mit einem engen Freund anstoßen und an Sie denken.

Wir werden – und ich bin sicher, viele in Deutschland werden Gleiches tun – auf Ihre Gesundheit trinken und uns dankbar an Ihr weltpolitisch beispielloses Wirken für uns Europäer und Deutsche erinnern. Sie haben mit Ihrer mutigen Friedenspolitik die entscheidenden Weichen für die deutsche Einheit gestellt. Die Deutschen werden Ihnen dafür ewig dankbar sein. Sie sind nicht nur für mich und unzählige Menschen meiner Generation eine der größten historischen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts.

Dass ich überdies in persönlichen Gesprächen zuletzt gemeinsam mit Egon Bahr 2015 erleben durfte, wie Sie auch ganz privat sind, voller Charme, voller klarer intellektueller Linie und mit einer freundschaftlich-herzlichen Art im Umgang, gehört zum Größten, was ich erlebt habe. Und das gilt unabhängig von den politischen Positionen, die wir in den jeweiligen Gesprächen und bei diversen Themen streiften und vertieften.

Ich werde nie vergessen, wie Sie, als Sie 1996 bei der Tagung der Sozialistischen Internationalen in Berlin waren und ich Sie nach unserem Gespräch um ein Autogramm für meinen Vater bat, sich nach ihm erkundigten. Als ich Ihnen erzählte, dass er als überzeugter deutscher Sozialist mit der Roten Armee Berlin befreite, waren Sie nicht nur nachdenklich, sondern herzlich berührt. Diesen Augenblick werde ich nie vergessen. Und als ich meinem Vater, der ebenfalls ein großer Befürworter Ihrer Politik war, davon berichtete, war er ebenfalls den Tränen nahe.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sie haben das Schicksal von Millionen Menschen im nachkriegsgeteilten Europa ins Positive gewendet. Sie haben Deutschland die Wiedervereinigung ermöglicht. Sie haben den Weg der Freiheit in Frieden für ganz Europa geebnet und dafür zu Recht höchste Ehrungen und Auszeichnungen aus der ganzen Welt bekommen. Meine Zeilen und Worte haben daneben wenig Bedeutung. Und dennoch möchte ich Ihnen zurufen: Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht an Sie und Ihr Wirken für uns Europäer und Deutsche denke. Freiheit in Frieden zu genießen – das ist das größte Geschenk, das Sie unserem Kontinent gemacht haben. Dafür gebührt Ihnen ein Dank, der über das hinausgeht, was ein Einzelner oder eine Einzelne Ihnen übermitteln kann.

Seien Sie sicher, dass viele Menschen in der ganzen Welt heute an Sie denken. Sie haben die höchsten Ehrungen und Auszeichnungen erhalten. Sie vermittelten uns ein klares politisches und menschliches Bild. Sie haben Wort gehalten, für den Frieden gekämpft. Dafür gebührt Ihnen die Krone des Lebens. Sehr geehrter Herr Präsident, lieber Michail, ich wünsche Ihnen für die Zukunft alles erdenklich Gute, viel Gesundheit und Gottes reichen Segen!

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