Erste

Postskriptum

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Postskriptum

Das höchste amerikanische Gericht, der Supreme Court, ist eine eigentümliche politische Institution – selbst für die USA, denen es, entgegen dem einst überbordenden Stolz auf seine demokratische Geschichte, an obskuren Traditionen nicht mangelt. Man denke nur daran, dass jeder Bundesstaat, ob 500 000 (Wyoming) oder 40 Millionen (Kalifornien) Einwohner zählend, im Senat das gleiche Gewicht hat – allen demokratischen Prinzipien zuwiderlaufend.

Die formale Besonderheit des Supreme Court ist, dass seine neun Mitglieder auf Lebenszeit berufen werden, anders als etwa die einmalig zwölfjährige Amtszeit der Mitglieder des deutschen Verfassungs­gerichts. Nicht nur daraus ergibt sich die scharfe Politisierung des Gerichts, es verspricht Einfluss weit über Wahlperioden hinaus. De facto handelt es sich längst um ein eigenständiges Entscheidungsgremium, in dem knallharte politische Konflikte außerparlamentarisch entschieden werden, streng nach Parteilinie – etwa, wer an Wahlen teilnehmen darf, wer die Möglichkeit zum Schwangerschaftsabbruch bekommt oder Parteispenden nicht offenlegen muss.

Donald Trump kam es in seiner Amtszeit zu, gleich drei neue Sitze zu verteilen. Er folgte bei seinen Nominierungen den Vorgaben der erzkonservativen Federalist Society, eine Vereinigung, die seit ihrer Gründung 1982 keine Mühen scheut, ideologisch linienförmige Kandidaten für Richterämter zu formen. Die vulgärkonservativen Senatoren ließen Trump so manchen Irrsinn durchgehen, der selbst ihnen eigentlich zu verrückt erschien, um nur ja sicherzustellen, dass sie die strammen Parteigänger Neil Gorsuch, Brett Kavanaugh und Amy Coney Barrett ins Amt hieven könnten.

Joe Biden konnte in der vergangenen Woche nach dem altersbedingten Rücktritt Stephen Breyers zum ersten Mal eine Kandidatin nominieren, Ketanji Brown Jackson. An der republikanischen Mehrheit von 6 zu 3 ändert sich nichts, Breyer wurde dereinst von Bill Clinton berufen. Aber Brown Jackson, der in der Vergangenheit auch so mancher hartgesottene Republikaner intellektuelle Brillanz bescheinigte, wäre die erste Schwarze Frau in der Geschichte des Supreme Courts. Nicht nur ein symbolischer Fortschritt.

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