Für einen Nach-Corona-Schnellstart

Zukunft wird mit Mut – und der innovativen Kraft der Unternehmen gemacht

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SHUTTERSTOCK/YUMMYBUUM
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Für einen Nach-Corona-Schnellstart

Zukunft wird mit Mut – und der innovativen Kraft der Unternehmen gemacht

Die politischen Debatten in Deutschland fokussieren sich auf kurze Zeiträume. Das nennt man auf Sicht fahren. Volkswirtschaften, die dauerhaft auf Sicht fahren, dürften bald auf Grund laufen. Die deutsche Politik fährt auf Sicht. Sie hat nur ein beschränktes Blickfeld: Corona. Die Welt um uns herum schaut etwas verwundert, teils betroffen auf die Behäbigkeit, mit der politische Entscheidungen getroffen und widerrufen oder gar nicht erst getroffen werden. Es geht um Risikoabsicherung und Verantwortungsweiterleitung – nicht so sehr um Zukunftsgestaltung. Einzelne Zwischenrufe verhallen, ohne nachhaltige Wirkung zu erzielen.

Der Chef des Bundeskanzleramtes, Helge Braun, hatte einen Deutschlandplan formuliert, der eine Blickerweiterung beinhaltete. Leider ist er nur wegen eines strittigen Details – der Aufweichung der Schuldenbremse – in Erinnerung geblieben. Eine Diskussion über die anderen, erwägenswerten Vorschläge hat nicht stattgefunden. Auch der Vorsitzende der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag, Ralph Brinkhaus, schlug eine Generalrevision Deutschlands vor – Diskussion allerdings: Fehlanzeige.

Stattdessen wird minutiös ein Koalitionsvertrag abgearbeitet, dessen politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen aus einer Zeit stammen, als alle Corona noch für ein mexikanisches Bier hielten. Da wird munter weiter reguliert, verboten, quotiert und der Staat als umfassender Dienstleister für alle Lebenslagen etabliert.

In weiten Teilen der deutschen Wirtschaft wird die Stimmung hingegen immer schwieriger. Beginnend in der Hotel- und Gaststättenwirtschaft sowie im Handel – wo die Öffnung immer wieder möglich schien, dann aber wieder vertröstet wurde – bis hin zur produzierenden Wirtschaft. No-Covid und Osterpausenideen mit der Schließung ganzer Wertschöpfungsketten haben die Zweifel am Willen zu einem Neustart in eine starke Wirtschaft und einen starken Arbeitsmarkt nach Corona zweifeln lassen.

Nun drohen der Wahlkampf und die Pause der wirksamen Politik. Ab Juli stoppt das Parlament. Dann folgt auf die Wahl die Koalitionsbildung. Erst im Frühjahr 2022 dürfen wir dann wieder mit Politik und hoffentlich einer wachstums- und beschäftigungsfördernden Reformagenda rechnen.

Damit es nochmal klar ist: Von Frühjahr 2021 bis Frühjahr 2022 – ein ganzes Jahr – beabsichtigt die Politik, keine Initiativen für einen Schnellstart nach Corona oder für die Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen der Unternehmen in Deutschland zu verabschieden. Das mag ja in den vergangenen Boomjahren funktioniert haben, jetzt aber gilt es, rascher zu handeln – oder das Handeln zumindest vorzubereiten.

Ein Blick ins Ausland zeigt, dass dort nicht im Bummeltempo agiert wird. Die USA haben einen unternehmerischen Ansatz beim Impfen verwirklicht. In Großbritannien hat der Premier eine ehemalige Managerin mit dem Projekt betreut. Was ist das Ergebnis? Erfolg. Die Impfstrategien beider Länder führen zu erheblichem Wachstum und damit zu einem Startvorteil für die Zeit nach Corona.

Auch die asiatischen Staaten zeigen rasche Erholung. Der geostrategische und ökonomische Gewinner ist China – nicht zuletzt aufgrund des raschen Überwindens der Corona-Delle.

Wir brauchen in Deutschland keine politische Sommerpause, sondern einen Schnellstart in der Diskussion über die Rahmenbedingung, die uns nicht in die zweite Liga absteigen lassen. Deutschland hat dabei ein gutes Fundament. Wir sind in vielen Märkten an der Spitze, unsere Talente sind gut ausgebildet, unsere Sozialpartnerschaft schafft soziale Stabilität, Innovationen in Unternehmen treiben mögliches Wachstum. Aber wir drohen, selbstgefällig zu werden.

Ein Kernpunkt unserer Diskussion muss die Demographie sein. Unsere alternde Gesellschaft bringt zahlreiche Konsequenzen mit sich. Aber wir verdrängen das. Umgestaltungen in den Sozialversicherungssystemen sind erforderlich. Hinzu kommt: Wir brauchen in Deutschland eine Bildungsoffensive. Wir haben viele Kinder und junge Leute, die während Corona in Schule, Ausbildung oder Studium gestrandet sind. Ihnen gilt unsere erste Zuwendung. Wir müssen wieder Anschluss an die Spitzen-Bildungssysteme finden.

Deutschland muss auch einfacher werden. Die zahlreichen Vorschriften und Vorgaben – vom Arbeitsrecht bis zum angeblichen Verbraucherschutz – sind nicht nur in einen Wust von Bevormundungen gemündet, sie verhindern auch Wohlstand und soziale Sicherheit. Deutschland muss sich wieder darauf besinnen, dass die Industrie uns stark gemacht hat. Industrie schafft die Innovationen, die den Klimawandel bewältigen helfen. Das kann keine Regierungskommission – das können nur die Unternehmen.

Wirtschaft ist nicht das Problem. Wirtschaft ist Teil der Lösung. Wenn ich lese, dass Deutschland ein Fahrradland werden soll, dann stockt mir der Atem über so viel Zukunftsvergessenheit.

Die Zukunft unseres Landes liegt in den Händen der gewählten Repräsentantinnen und Repräsentanten. Sie müssen sich dieser Diskussion stellen, gemeinsam mit der Wirtschaft nach Lösungen für die Zukunft suchen. Aber sie dürfen sich nicht verstecken und aus der Wagenburg heraus das Virus bekämpfen.

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