Hohe Kante, abgeflacht

Kolumne | Auf den Zweiten Blick

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Hohe Kante, abgeflacht

Kolumne | Auf den Zweiten Blick

Der Schock der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS wird nachhallen. Denn dadurch wird eine der weltweit 30 Banken verschwinden, die als systemrelevant bezeichnet werden. Immerhin haben Politik, Notenbanken und Wettbewerber aus dem klassischen Lehrbuchfehler von 2008 gelernt, als die amerikanische Regierung und führende Investmentbanker beschlossen, an Lehman Brothers ein Exempel zu statuieren und das schlingernde Finanzinstitut in die Insolvenz zu schicken. Heute wissen es alle besser: International agierende Großbanken dürfen nicht pleitegehen.

Auch die rasche Reaktion der amerikanischen Regierung auf den Kollaps der Silicon Valley Bank mit einer unbegrenzten Einlagengarantie hat zu einer oberflächlichen Beruhigung der Märkte beigetragen. Aber wie lange? Angeblich befinden sich weit mehr als hundert amerikanische Regionalbanken in ähnlich prekärer Lage. Die Zinswende und in der Folge die Kursverluste vor allem bei Anleihen bescheren den Banken einen hohen Abschreibungsbedarf. Um diese Abschreibungen zu verkraften, sind die Eigenkapitalquoten mancher Banken womöglich zu gering.

Der Zinsdruck der Notenbanken wird vorerst bleiben. Wie sich daraufhin in den nächsten Wochen die Kurse entwickeln, weiß niemand. Aber eines wissen alle: Ein neuerlicher Vertrauensverlust der Marktakteure kann die Kurse weiter stürzen und damit neuen Abschreibungsbedarf entstehen lassen, den noch mehr Banken womöglich nicht verkraften.

An dieser Stelle sei etwas Nostalgie erlaubt. Banken, die heute nur mit einer im Vergleich zu Unternehmen verantwortungslos geringen Eigenkapitalausstattung im unteren einstelligen Prozentbereich agieren, waren – zumindest in Deutschland – für solche Krisen schon mal besser gerüstet. Das ging auf die hohen stillen Reserven zurück, die sie in ihren Bilanzen nach nationalen Rechnungslegungs­vorschriften nolens volens bilden mussten. Der deutschen Rechnungslegung liegt das Niederstwertprinzip zugrunde: Die Unternehmen sollen sich lieber ärmer rechnen, als sie tatsächlich sind – eine Idee kaufmännischer Vorsicht. Doch Mitte der Nuller-Jahre wurden für kapitalmarktorientierte Unternehmen internationale Bilanzierungsregeln verpflichtend, nach denen fortan zu Marktpreisen bewertet werden musste, was in den Bilanzen stand. Seither findet die Volatilität an den Finanzmärkten fortlaufend ihren Niederschlag in den Rechenwerken großer Unternehmen und natürlich allen voran der Finanzinstitute.

Dass sich dies zu einem veritablen Problem auswachsen würde, hätte man ebenfalls spätestens in der Finanzkrise 2008 lernen können. Nach dem Zusammenbruch der amerikanischen Bank Lehman Brothers sagte der damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück der Frankfurter Allgemeinen in einem Interview mit der Autorin: „Mit den Bilanzierungsregeln nach dem Handelsgesetzbuch, mit einer Bewertung von Vermögen zum niedrigsten Wert sähe es wohl nicht so schlimm aus.“ Er ging sogar noch weiter: „Die internationalen Bilanzregeln wirken prozyklisch. Sie verschärfen Krisen.“

Doch schon damals war klar: Das Rad ist nicht mehr zurückzudrehen. Die internationalen Bilanzierungsvorschriften, die – durchaus in guter Intention – darauf ausgelegt sind, durch die Pflicht zu aktueller Marktbewertung in der Rechnungslegung ein aktuelles und realitätsgetreues Lagebild des Unternehmens zu liefern, haben sich durchgesetzt. Stille Reserven in Milliardenhöhe gibt es nicht mehr. Die Downside dessen könnten wir nach 2008 nun ein weiteres Mal deutlich zu spüren bekommen.

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