Kinder, Kinder

Kolumne | Direktnachricht

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DPA/APA/PICTUREDESK.COM
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Kinder, Kinder

Kolumne | Direktnachricht

Zuerst waren sie Pandemietreiber und kurz davor, Oma und Opa umzubringen. Dann hielten sie ihre Eltern bloß vom Arbeiten ab. Und jetzt sollen sie ungeimpft in vollen Klassenräumen Leistungen abliefern, als wäre nichts. Der Umgang mit Kindern in der Coronapandemie ist nach wie vor ein Elend.

Nur weil Kinder seltener schwer erkranken, heißt das eben nicht, dass sie Covid-19 leichtfertig begegnen können. Auch Kinder haben das Recht, vor dem Virus geschützt zu werden, über dessen Langzeitfolgen wir immer noch viel zu wenig wissen. Aber eine Pandemie ist offenbar vorbei, solange nur die „richtigen und wichtigen“ Leute geimpft sind?

Kinder vor dem Virus zu schützen, heißt dabei nicht zwingend, Kitas und Schulen zu schließen. Es braucht aber weitaus mehr als Stoßlüften und Daumendrücken, um sie offen zu halten und für die Anwesenden sicher zu machen. Wieso ist ein kurzfristiges und milliardenschweres Rettungspaket für die Lufthansa machbar, aber schnellstmöglich Luftfilter in alle Gemeinschafts- und Klassenräume zu stellen, ist selbst im Jahr Zwei dieser Pandemie ein Ding der Unmöglichkeit?

Die politische Coronastrategie für Kinder zeichnet sich dadurch aus, dass sie den Namen Strategie nicht einmal verdient. Vielmehr erweckt sie den Eindruck düsterer Pädagogik, eines „Stellt euch nicht so an!“. In Deutschland praktiziert man eben immer noch lieber Härte statt Fürsorge. Dabei hat uns die Pandemie die Verletzlichkeit unseres Daseins in aller Deutlichkeit gezeigt. Um zur vermeintlichen „Vor-Corona-Normalität“ zurückzukehren, zahlen Kinder und Familien längst den Preis – ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit sind zur Verhandlungsmasse geworden.

Politik für Kinder ist in Deutschland generell miserabel bis geradezu kinderfeindlich. Ein Grund dafür ist, dass unser Bundestag ein extremes Vereinbarkeitsproblem hat. Zermürbende Arbeitszeiten, der Frauenanteil liegt um die 30 Prozent, das Durchschnittsalter der Abgeordneten bei knapp 50 Jahren. Politische Entscheidungen werden also im Schnitt vorwiegend von Männern getroffen, die sich nicht mehr groß um ihre Kinder kümmern müssen oder das ohnehin nie als ihre Aufgabe sahen. Erst kürzlich scheiterte die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz an der Union, weil diese Kindern keine zusätzliche Teilhabemöglichkeiten einräumen wollte.

Oft heißt es: Denkt denn niemand an die Kinder? Die Antwort hierauf bleibt bis auf weiteres leider: Offenbar nicht.

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