Liefer:heldinnen

Kolumne | Direktnachricht

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DPA/APA/PICTUREDESK.COM
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Liefer:heldinnen

Kolumne | Direktnachricht

Es ist ein Jahr her, da gingen wir beim Inzidenzwert 50 noch in den harten Lockdown. Mit dem Corona-Stufenplan von heute sollen dagegen ab dem 50er-Wert der Einzelhandel, Museen oder Kinos wieder öffnen – obwohl Impfungen noch langsam passieren und Schnelltests nicht allerorts verfügbar sind. Vermeidbare Infektionen, Long Covid und Todesfälle werden damit in Kauf genommen. Merry Crisis!

Menschen in prekären Lebensverhältnissen hatten dabei noch nicht mal einen Lockdown. Sie können ihn sich im wahrsten Sinne des Wortes nicht leisten. Dafür halten sie den Laden für alle anderen am Laufen, indem sie putzen, pflegen, liefern, verkaufen. Viele von ihnen liegen auf den Covid-Intensivstationen und sind People of Color. Rassist_innen wollen sie deshalb (wieder einmal) als Sündenböcke der Pandemie ausmachen und davon ablenken, worüber wir eigentlich sprechen müssten. Nämlich über die Lebens- und Arbeitsbedingungen, die den (Corona-)Alltag der Betroffenen ausmachen, wie zu enger Wohnraum und keine Chance auf Home Office, Abstandhalten oder finanzielle Rücklagen.

Doch statt politisch dort anzusetzen, dürfen wir nun wieder in den Blumenladen gehen, „um die Wirtschaft anzukurbeln“. Wenn aber inmitten einer Pandemie die Öffnung von Geschäften und geringe Finanzspritzen die einzige Antwort sein sollen, um diese zu retten, ist das keine Antwort. Die Journalistin Sibel Schick brachte den Status quo in einem Tweet auf den Punkt: „Dass gerade so viele Händler:innen pleite gehen, liegt nicht an den Schließungen, sondern daran, dass nicht flächendeckend und wirksam geholfen wird.“

Wir stecken fest zwischen „Geschäfte auf, Geschäfte zu“. Der politische Rahmen sollte doch aber sein: Was macht das Virus mit den Menschen, und wie können sie davor am besten geschützt werden? Forderungen wie die der #ZeroCovid-Kampagne, Ansteckungen auf null zu reduzieren, Fürsorge in den Mittelpunkt zu stellen und finanzielle Ausfälle über Vermögensverteilung abzufedern, werden trotzdem als unrealistische Utopie weggewischt. Gleichzeitig werden Shutdown-Lockerungen bei wachsenden Infektionszahlen inklusive Virusmutationen nicht mal mehr als der dystopische Schritt begriffen, der sie sind. Es ist schmerzhaft offensichtlich, dass es die politisch Verantwortlichen derzeit nicht hinkriegen, abseits der schwarzen Null und outside of the box zu denken – sie bleiben, auch ganz ohne Lockdown, in eben jener Box hocken.

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