Mutatis mutandis

Kolumne | Direktnachricht

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Mutatis mutandis

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Omikron. Was so klingt wie ein Planet des Star-Trek-Universums, ist die neueste Variante des Coronavirus, die uns in dieser Pandemie beschäftigt und Sorgen bereitet. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es zwar noch mehr Spekulationen als bestätigte Erkenntnisse, doch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Mutante bereits als „besorgniserregend“ eingestuft.

Was allerdings jetzt schon klar ist: Der Umgang mit der aktuellen Lage bestätigt erneut den anhaltenden Rassismus in der Corona-Pandemie. So ist es doch sehr bezeichnend, dass sich die meisten Länder des globalen Nordens gerade überhaupt erst wieder um den pandemischen Status quo auf dem afrikanischen Kontinent scheren, weil die Omikron-Befunde zuerst aus Südafrika vermeldet wurden. Doch statt mit zusätzlicher Unterstützung und einer umfassenden solidarischen Strategie zu reagieren, wird Südafrika (und andere afrikanische Länder) faktisch mit einem Reiseverbot dafür bestraft, schnell und transparent gehandelt zu haben.

Die stellvertretende Vorsitzende der Allianz für Impfstoffentwicklung der Afrikanischen Union, Ayoade Alakija, zieht daraus ein bitteres Resümee: „Wäre das Sars-CoV-2-Virus zuerst in Afrika entdeckt worden, hätte man Afrika vermutlich weggesperrt. Ohne Notfallfonds, um Impfstoffe zu entwickeln, mit nur wenig weltweiter Aufmerksamkeit, und Afrika hätte den Namen ‚Covid-Kontinent‘ bekommen.“

Die Impfquote in Südafrika liegt um die 25 Prozent, viele ärmere Länder Afrikas kommen auf nur bis zu drei Prozent Geimpfte. Das heißt, die meisten Menschen haben noch nicht einmal die erste Impfung bekommen, während bei uns schon fleißig Booster gespritzt werden. Hauptgrund ist, dass der reiche globale Norden Impfstoffe bislang immer noch bunkert, statt sie gerecht auf der Welt zu verteilen.

Die Patentfreigabe für die Impfstoffe muss deshalb spätestens jetzt erfolgen. Wir müssen endlich das Vorbild dafür schaffen, wie unsere Weltgemeinschaft mit einer Pandemiebekämpfung umgeht. Das Virus mutiert, denn das ist, was ein Virus tut. Auch der nächste Variantenfund wird also kommen. Genauso wie die nächste Pandemie. Der jetzige Umgang damit ist rassistisch, klassistisch und die tödliche Fortsetzung postkolonialer Gewalt.

Die Freigabe der Patente ist ein notwendiges Puzzleteil in einer Reihe von Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung. Sie dreht sich allerdings nicht nur um Impfstoffe, sondern ebenso um Medikamente, Diagnosemittel wie Tests und Schutzausrüstungen. Impfstoffentwickler_innen müssen in die Pflicht genommen werden, ihre Technologien, Lizenzen und das Wissen zur Herstellung zu teilen, genauso wie bereits produzierte Impfstoffe.

Es ist allein moralisch richtig, das eigene Wohlergehen und vor allem den eigenen Wohlstand nicht zum wiederholten Mal auf dem Rücken des globalen Südens zu sichern. Es liegt am Ende aber auch im Interesse von uns als Bewohner_innen des globalen Nordens, die Pandemie nicht nur lokal, sondern eben mit einer weltweiten Strategie anzugehen. Wenn das ganze Haus in Flammen steht, nützt es nun einmal nichts, wenn man diese gerade im Wohnzimmer kurz im Griff hat.

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