Niemals geht man so ganz

Kolumne | Aus dem Bannaskreis

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Niemals geht man so ganz

Kolumne | Aus dem Bannaskreis

Einflussreiche Abgeordnete sind jetzt aus dem Bundestag ausgeschieden, und demnächst werden die Kanzlerin und andere Kabinettsmitglieder ihre Arbeit in der Bundesregierung beenden. Das Aufsteigen in der Politik haben sie gelernt. Das Aufhören aber ist Neuland – gerade für die, die es in höchste Ämter gebracht haben. Was also machen Menschen, die oft über Jahrzehnte im Zentrum von Macht und Öffentlichkeit standen, nach ihrem Ende als Spitzenpolitiker?

Zuvorderst ist Angela Merkel betroffen. Wenig spricht dafür, dass sie noch einmal die Fernsehansprache zum neuen Jahr zu halten hat. Bald also erholen und ausschlafen? Ein Buch schreiben? Vorträge halten? Eine Aufgabe bei den Vereinten Nationen oder in der Europäischen Gemeinschaft hat sie ausgeschlossen. Oder wird sie sich doch weiter auf internationaler Bühne betätigen – im Sinne des Klimaschutzes etwa? In die Fußstapfen ihrer Vorgänger wird sie eher nicht treten. Helmut Schmidt wurde Herausgeber der Zeit. Helmut Kohl beriet ein Schweizer Bankhaus. Gerhard Schröder wechselte zu Gazprom.

Gerade die Älteren zieht es in öffentliche Ehrenämter, denen sie schon zuvor nahe waren. Doch auch die sind dünn gesät. Der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sitzt der Konrad-Adenauer-Stiftung vor. Der vormalige SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz ist Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung. Einst führende Unionspolitiker (Rudolf Seiters, Gerda Hasselfeldt) wurden Präsidenten des Deutschen Roten Kreuzes. Thomas de Maizière (CDU) wird Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages. Sigmar Gabriel (SPD) wurde Autor und Vorsitzender der Atlantik-Brücke. Volker Kauder (CDU) will sich weiter um die Situation verfolgter Christen kümmern und zudem noch um die Paulskirche in Frankfurt.

Nicht wenigen aber fällt der Abschied schwer, und von einer möglichen Wiederkehr ist zu berichten. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) wollte nach 23 Jahren dem Berliner Betrieb Adieu sagen. Sie kandidierte nicht wieder für den Bundestag – wohl in der Einschätzung, wenn die SPD in der Opposition sei, werde sie bloß noch eine Nebenrolle spielen. Als das Ausscheiden aber näher rückte, dachte sie um. Weit nach vorne drängte sie sich auf das Foto der neuen SPD-Fraktion. Bei den Koalitionsverhandlungen leitet sie für die SPD die innenpolitische Arbeitsgruppe. Ob sie dem nächsten Kabinett abermals als Ministerin angehören wird?

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