Nope

Postskriptum

21
08
21
08

Nope

Postskriptum

Politik in Deutschland 2022 heißt, dass am besten alles so bleibt wie bisher. Heizkosten steigen um – circa – 4897 Euro pro Person pro Woche, lauteten die besorgten Meldungen in der vergangenen Woche. Klar, aber nur wenn genauso weitergeheizt wird wie bisher.

Ein Sprecher der Stadtwerke München stellte jüngst die soziologisch vielsagende These auf, signifikante Einsparungen im Gasverbrauch seien noch nicht erkennbar, da die drohende Energieknappheit „erst nach und nach“ in den Köpfen der Menschheit ankomme. Vielleicht sind die Funkdrähte des Wolffschen Telegraphischen Bureaus auch einfach gerade überlastet. Oder bei Ersatzteilen gibt es Lieferschwierigkeiten.

Das vielzitierte „Nö“ von Bundeskanzler Olaf Scholz auf die Frage, ob er praktische Tipps zum Energiesparen habe, ist politisch ja nur zu verständlich. Angela Merkels „Wir schaffen das!“ 2015 war noch die denkbar schärfste Antithese zu Scholz’ schwächlicher Sottise, frei nach Herman Melvilles „Ich würde lieber nicht.“ Ansonsten aber hat die ehemalige Kanzlerin es, bei allen ihren Verdiensten, zu einiger Meisterschaft in den beiden wichtigsten Prämissen deutscher Koalitionsregierungen gebracht. Die Erste lautet: Schon das Wort Zumutung ist eigentliche eine solche. Alles, was notwendig ist, am besten nur so halb tun. Dann sind alle unzufrieden und die Lage bleibt schwierig, aber man kann sich auf allerhand Geschäftigkeit und Ausgleichszahlungen berufen.

Voraussetzung Nr. 2: Kompromisse erfolgen bei drei doch erheblich unterschiedlichen Parteien nicht in der Sache oder einer, bewahre, auch nur abgespeckten Stimmigkeit, sondern in einer symbolischen Schmerzenslogik. Wie viel Pein bereitete den Grünen Laufzeit­verlängerungen? Wie viele Tischkantenbisse ergäbe ein Tempolimit bei der Porsche-FDP? Wie viele Schnitzel und Mallorca-Flüge pro Jahr darf die SPD dem kleinen Mann unter keinen Umständen verwehren?

Zugleich prallte der Appell an die Ampel zu mehr Mut und immerhin mittelgroßen Würfen an Verhältniswahlrecht, koalitionärem Selbsterhaltungstrieb und unverrückbaren Weltbildern der Parteien ab – solange es (uns noch so) gut geht.

Weitere Artikel dieser Ausgabe