O’Zapft is!

Heimatministerien: Die CSU hat nicht nur das schöne Bayern erfunden, sondern sorgt auch dafür, dass das Land stets vorzüglich ausgestattet wird

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PICTURE ALLIANCE/DPA | CHRISTOPHE GATEAU
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PICTURE ALLIANCE/DPA | CHRISTOPHE GATEAU

O’Zapft is!

Heimatministerien: Die CSU hat nicht nur das schöne Bayern erfunden, sondern sorgt auch dafür, dass das Land stets vorzüglich ausgestattet wird

Vielleicht muss man Wohnsitze in Berlin und in Bayern haben, um das ganze Ausmaß der Differenz zu erfassen. Kulturell und historisch sind Berlin und Bayern entfernte Planeten, politisch eher zwei Sonnensysteme. Deswegen wirken Auftritte des bayerischen Ministerpräsidenten in der Hauptstadt oft wie Meteoriteneinschläge und das Wirken von Amtsträgern der CSU in Berlin manchmal wie Substanz aus der Tiefe des Raumes.

Selbst langjährigen Beobachtern in der Hauptstadt gilt das bundespolitische Auftreten der CSU als schwer zu entschlüsselndes Rätsel. Dreieinhalb Minister stellt die Partei im Kabinett Merkel IV, und auf der Ebene persönlicher Leistungsbilanzen ist das Urteil schnell gefallen. Mit Ausnahme des selbst bei Grünen und Nichtregierungsorganisationen anerkannten Entwicklungshilfeministers Gerd Müller fällt das Zeugnis relativ übel aus. Aber der Mann mit dem Namen einer Fußball-Legende ist in der CSU selbst politisch eine Art Exot, der seine politische Karriere in der Partei weniger seinen Positionen, sondern eher dem Proporz bayerischer Bezirksverbände verdankt. Manches, wie Müllers Eintreten für ein wirksames Lieferketten-Gesetz, steht offen oppositionell gegen die Stimmung seiner Partei.

Ein Twitter-Star, ein Frührentner und der Roller-Andi

Bei den zweieinhalb restlichen CSU-Ministern ist das Bild klarer. Horst Seehofer, der Innenminister, freut sich auf die Rente und hat dies auch seit längerem erkennen lassen. Bleibt, neben der mangels Kompetenzen im politischen Berlin nicht wirklich ernst genommenen Dorothee Bär als Staatsministerin für Digitalisierung, vor allem einer: Andreas Scheuer hat seit 2017 als Verkehrsminister eine Bilanz hingelegt, die ihm mühelos die Insignien eines politischen Überlebenskünstlers eingetragen haben. Vielleicht hat das filouhafte Image des Niederbayern sogar dazu beigetragen, dass ihn Kanzlerin und CSU-Führung im Amt belassen haben. An den politischen Meriten kann es kaum gelegen haben. Von einer nicht belastbaren „Promotion“ über das Maut-Desaster bis zum trickreichen „Formfehler“ bei der Novellierung der Straßenverkehrsordnung – bei anderen hätte ein Bruchteil dieser Fehlleistungen zum Verlust des Amtes geführt. Warum nicht in diesem?

Das ist keine rhetorische Frage, denn die Antwort führt direkt zum Modell, mit dem die CSU ihre Bundespolitik betreibt. Nahezu alles gründet sich auf den strukturellen Kern der CSU als einer Partei, die nur in Bayern gewählt werden kann, aber auch außerhalb Bayerns Politik macht. Logischerweise hat dies zur Folge, dass auch CSU-Politiker nur in Bayern gewählt werden können, aber auch außerhalb Bayerns Politik machen. Und ebenso liegt auf der Hand, dass demokratisch gewählte Politiker gern demokratisch wiedergewählt werden wollen – im Falle der CSU dort, wo man sie überhaupt nur wählen kann, nämlich in Bayern.

Die Partei, die das schöne Bayern erfunden hat

Geradezu lebensfremd wäre folglich die Annahme, dass in Bayern direkt gewählte Abgeordnete im Bundestag (die CSU gewinnt traditionell die Wahlkreise) auch als Amtsträger nicht alles versuchen würden, ihre Wählerbasis in der Heimat nicht mindestens sehr gut zu behandeln. Dazu kommt eine manchmal spektakuläre Besonderheit auf dem Planeten Bayern: Dort wird aus regionalen, traditionellen oder eigensüchtigen Gründen gelegentlich etwas geschätzt, was anderswo für Kopfschütteln sorgt. So waren die ursprünglich vom damaligen Ministerpräsidenten Seehofer propagierten Mautpläne bei den Bayern zeitweise durchaus beliebt, was auch mit dem Maut-Regime im benachbarten Österreich und dem Ärger über Transitverkehr auf bayerischen Fernstraßen zu tun hatte. In Flächenstaaten, zumal im größten, sieht man manches anders als in Stadtstaaten.

Dass dabei die thematische Präferenz der CSU in Berlin oder früher in Bonn nie Zufall war, zeigen die angestrebten Ministerien. Sie scheint – ab Amtsantritt des Kanzlers Helmut Kohl 1982 – genau zu wissen, aus welchen Ressorts sich Honig saugen lässt. Und auch, aus welchen nicht. Nie hat es in der Bundesrepublik einen Arbeitsminister der CSU gegeben. Das Wirtschaftsministerium wurde, mit mäßigem Erfolg, nur von Karl-Theodor zu Guttenberg und (widerwillig) von Michael Glos geführt. Der zeitweilige Superstar Guttenberg scheiterte wie fast 50 Jahre zuvor die Partei-Ikone Franz Josef Strauß als Verteidigungsminister. Innenminister waren vor Seehofer nur Friedrich Zimmermann und Hans-Peter Friedrich. Und Finanzminister lediglich einer: Theo Waigel.

Heimatminister in diversen Ressorts

Völlig anders dagegen das Bild, wenn es um das attraktive Verkehrsministerium ging, dem riesige Summen zur Verfügung stehen. Von den 14 Ministern seit 1982 stellte die CSU die Hälfte. Seit 2009 gaben sich dort Peter Ramsauer, Alexander Dobrindt, Christian Schmidt (für kurze Zeit) und eben Andreas Scheuer die Klinke in die Hand. Zwischen 2014 und 2018, also maßgeblich unter Dobrindt, soll ein Drittel der verfügbaren Ministerialmittel nach Bayern geflossen sein. Infrastruktur zählt: Im Bauministerium kamen bis zur Auflösung 1998 drei von fünf Ministern von der CSU. Von den sechs Landwirtschaftsministern kamen zuletzt fünf aus Bayern. Zudem mangels Außenamt die internationale Dimension als Nebenaußenpolitik: Von den sechs Ressortchefs für Entwicklungspolitik seit 1982 waren fünf Bayern aus der CSU.

Die CSU-Bundespolitik setzt auf Infrastruktur, Landwirtschaft und Entwicklungszusammenarbeit. Was gut ist für Deutschland, ist auch gut für Bayern? Die CSU als Solitär unter den Parteien sieht es eher umgekehrt. In genialem Doppelsinn hat das einst der unvergessene Herbert Riehl-Heyse formuliert: Die CSU ist die Partei, die das schöne Bayern erfand.

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