Panikherzen und Finsternis

Postskriptum

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Panikherzen und Finsternis

Postskriptum

Die Beschreibung mutet wie ein aktueller Kommentar zum in diesen Tagen viel diskutierten Personal eines Romans an, das an mehr oder minder reale Personen aus der Verlagswelt angelehnt sein soll: „Durch und durch leer und hohl, leichtsinnig und weichlich, grausam und feige, voller Gier, aber ohne jede Kühnheit.“ Nach außen erschienen diese Gestalten wie Gentlemen, Säulen der guten Gesellschaft, tatsächlich aber seien es „innerlich lasterhafte Schurken, die sich im gesetzlosen Dschungel trafen und dort blendend miteinander auskamen“.

Mit dem Dschungel sind im vorliegenden Fall aber nicht metaphorisch die Chefetagen großer deutscher Medienhäuser gemeint, sondern die tatsächlichen Urwälder des Kongos. Die Charakterisierung gilt den dunklen Gestalten in Joseph Conrads Klassiker „Herz der Finsternis“ und stammt von Hannah Arendt.

Conrad schildert in der Erzählung, die erstmals 1899 erschien, wie die skrupellosen Geschäftsmänner, seine Freunde, das kongolesische Elfenbein hemmungslos plündern, ohne jede Rücksicht auf Leib und Leben der Menschen, „gerechtfertigt“ mit kaum verdünntem Rassismus.

Die heutige Demokratische Republik Kongo (DRK) steht heute erneut im Zentrum eines politisch-literarischen Werks, das mitten hinein ins dunkle Herz unserer Gegenwart sticht. Der nüchterne Titel „Climate and Environmental Security in the Democratic Republic of Congo“ des just veröffentlichten Reports der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) sollte nicht über die kaum zu überschätzende Bedeutung der dort behandelten (Ziel-)Konflikte hinwegtäuschen, die weit über das zentralafrikanische Land hinaus reichen.

In der DRK verdichten sich die entwicklungs-, energie- und sicherheitspolitischen Dilemmata dieser Tage. Kein Land der Welt besitzt ein größeres noch nicht gehobenes Vorkommen an Bodenschätzen, sein Wert wird gegenwärtig auf 24 Billionen US-Dollar geschätzt. Es besteht nicht nur aus Gold und Diamanten, sondern auch deren Varianten im 21. Jahrhundert, Kupfer und Kobalt, die, unter anderem, für – festhalten! – Heizungen, Batterien und Elektromotoren benötigt werden.

Das DGAP-Forscherinnenteam um Kira Vinke, Loyle Campbell und Dana Schirwon beschreibt aber auch präzise den „Rohstoff-Fluch“ – in Volkswirtschaften, die hauptsächlich von Rohstoffen leben, steigen Ungleichheit und Elend, gedeihen Korruption und Gewalt, ist Demokratie kaum mehr als eine Fassade – auch in Europa gibt es dafür ja ein nur zu illustres Moskauer Beispiel. In der DRK kommt noch der climate-insecurity nexus hinzu: Extreme Wetterereignisse und die schleichend einsetzenden Klimaschäden gefährden die Rohstoffgewinnung und verschärfen die inneren Konflikte und Verteilungskämpfe.

Was tun? Das Expertenteam buchstabiert die komplizierten und mühsamen, aber notwendigen Entwicklungs- oder Kooperations­abkommen durch, in denen friedensschaffende und klimaschützende Elemente feste Bestandteile sein müssen – wie die nicht nur literarisch hochwertigen Lieferketten­sorgfaltspflichten­gesetze. (Das tatsächliche deutsche LkSG ist am 1. Januar 2023 in Kraft getreten, ein Anfang.)

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