Rohstoffknappheit in Sachen Vertrauen

Unforced Errors – die Union kämpft mit allerlei Problembären

06
03
PICTURE ALLIANCE/DPA | MICHAEL KAPPELER
CDU-Bundesvorsitzender und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen: Armin Laschet
06
03
PICTURE ALLIANCE/DPA | MICHAEL KAPPELER
CDU-Bundesvorsitzender und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen: Armin Laschet

Rohstoffknappheit in Sachen Vertrauen

Unforced Errors – die Union kämpft mit allerlei Problembären

Für die Stimmung in der Unionsfraktion dürften die vergangenen zwei Sitzungswochen keine guten gewesen sein.

Denn sowohl in der vergangenen als auch in dieser Woche stimmte das Parlament über die Aufhebung der Immunität zweier ihrer Mitglieder ab – Axel E. Fischer von der CDU und Georg Nüßlein von der CSU. In beiden Fällen wird – auch wenn es jeweils um unterschiedliche Sachverhalte geht – wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit von Mandatsträgern ermittelt, es steht also der Vorwurf der Korruption im Raum.

Natürlich gilt nach wie vor die Unschuldsvermutung, dennoch können solche Vorwürfe nicht nur zu einem Problem für die Betroffenen, sondern auch für die Parteien werden, in diesem Fall für die Union. Vor allem in einem Wahljahr, das möglicherweise doch schwieriger werden könnte für die C-Parteien, als die Umfragen noch vor wenigen Monaten hätten vermuten lassen. Schaut man auf die nun aktuellen Werte, ist zu sehen, dass die Zufriedenheit mit dem Krisenmanagement von Bund und Ländern abnimmt, die Beliebtheitswerte des Spitzenpersonals von CDU und CSU sind ebenfalls wieder zurückgegangen. Ende vergangenen Jahres erreichten sie teilweise noch ungeahnte Höhen. Auch bei den Umfragewerten der Union für die Bundestagswahl deutet sich eine Tendenz nach unten an. Aus Sicht der Schwesterparteien geht es nun darum, diesen Trend aufzuhalten.

Die Ermittlungen gegen Nüßlein und Fischer machen das nicht leichter, ganz im Gegenteil. Denn natürlich strahlen diese auch auf die Parteien aus. Hinzu kommen Berichte über Jens Spahns Spendendinner im Oktober in Leipzig und einen Maskendeal des Landes Nordrhein-Westfalen mit einem großen Bekleidungshersteller, der durch den Kontakt von Armin Laschets Sohn zustande gekommen sein soll.

Diese Fälle sind zwar alle sehr unterschiedlich – was sie aber eben doch verbindet, ist, dass sie das Potenzial haben, Vertrauen massiv zu beschädigen – vor allem, weil drei von ihnen mit Corona und dem Krisenmanagement der Regierung zu tun haben.

Da ist die Sache mit den Masken in NRW, bei dem Laschets Sohn – ein Mode-Influencer auf Instagram – die Kontakte hergestellt haben soll. Illegal war das nicht, Joe Laschet soll dafür kein Geld bekommen haben, aber dennoch wirkt es von außen seltsam, wenn der Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes auf die Verbindungen seines Sohnes zurückgreift – und dann musste der Deal auch noch rückabgewickelt werden. Das kann den neuen CDU-Chef, der seine Partei mindestens als Vorsitzender und, wenn nicht noch massiv etwas schiefgeht, als Kanzlerkandidat in den anstehenden Wahlkampf führen wird, in den kommenden Wochen immer wieder einholen.

Auch der Bundesgesundheitsminister hat rechtlich gesehen nichts falsch gemacht, als er sich im Oktober in Leipzig mit Unternehmern zu einem Abendessen traf. Trotzdem ist es problematisch, wenn ein Gesundheitsminister – eines der wichtigsten Regierungsmitglieder in dieser Pandemiezeit – die Bevölkerung zur Vorsicht mahnt, aber selbst mehrere Menschen bei einem Dinner trifft. Einen Tag später wurde er zudem positiv auf Corona getestet. Dass er noch am Vorabend mit anderen zusammengesessen hat und dabei auch noch Spenden geflossen sind, kam erst vor wenigen Tagen durch die Medienrecherchen an die Öffentlichkeit. Da beweist jemand, der auch noch wegen einiger anderer Dinge, sein Krisenmanagement betreffend, in der Kritik steht, nicht gerade Fingerspitzengefühl. Und das kann Vertrauen kosten.

Der dritte Fall im Zusammenhang mit dem Corona-Management ist der von Georg Nüßlein. Bislang gilt auch hier die Unschuldsvermutung. Es steht aber eben der Anfangsverdacht der Bestechlichkeit im Raum – und das auch noch in Verbindung mit Atemschutzmasken. Der CSU-Politiker soll für die Vermittlung des Kontakts zwischen einem Maskenlieferanten und dem Bundes- sowie dem bayerischen Gesundheitsministerium mehr als 600 000 Euro bekommen haben. Nüßlein hat den Vorwurf in einer ausführlichen Erklärung zurückgewiesen. Zugleich bleiben die Anschuldigungen schwerwiegend, zumal in Zeiten, in denen viele Menschen um ihre wirtschaftliche Existenz bangen.

Am Freitagnachmittag teilte Nüssleins Anwalt auf jeden Fall mit, dass Nüßlein von seinem Amt als stellvertretender Fraktionsvorsitzender zurücktrete.

Wie weit dieser Schritt den Unmut aufzulösen vermag, den man in der Unionsfraktion über den 51-Jährigen in den vergangenen Tagen vernehmen konnte, bleibt offen. Denn das öffentliche Misstrauen gegenüber einem einzelnen Politiker wirkt sich häufig auf alle Abgeordneten seiner Partei aus.

Und dann ist nicht mehr nur Nüßlein gefragt, auch die Parteispitze der CSU muss sich verhalten. Sie muss den Spagat meistern, ihn als weiter amtierendes Mitglied der Fraktion einerseits nicht zu früh fallen zu lassen, schließlich ist noch nicht klar, was an den Vorwürfen überhaupt dran ist, und andererseits rechtzeitig die politische Reißleine zu ziehen, damit die Partei keinen allzu großen Schaden nimmt. Das Ende der Ermittlungen wird man dafür kaum abwarten können.

Schon in einer Woche finden die ersten Landtagswahlen dieses Superwahljahres statt, zum einen in Baden-Württemberg, dem ehemaligen Stammland der CDU, in dem mittlerweile aber die Grünen in den Umfragen weit vorne liegen und die Christdemokraten hinter dem Ergebnis der Wahl im Ländle vor fünf Jahren. Zum anderen wählt Rheinland-Pfalz am 14. März. Auch dort liegt die CDU hinter ihrem letzten, schon damals historisch schlechten Ergebnis zurück.

Für beide Wahlen und darüber hinaus können sich die kleinen und großen Vorfälle von Spahn über Laschet bis hin zu Nüßlein zu einer Hypothek für die Union entwickeln, mit der sie nicht nur in der kommenden Woche, sondern den ganzen anstehenden Wahlkampf umgehen muss.

Vor allem, weil dieser Bundestagswahlkampf mit vielen Unbekannten daherkommt: Die Amtsinhaberin tritt nicht mehr an, der Hauptgegner heißt zum ersten Mal nicht mehr SPD, es sind die Grünen. Und dann ist schließlich noch lange nicht klar, wie die Coronalage im Sommer aussehen wird. Es gilt für die Union also nun, eine Strategie zu entwickeln, womöglich verloren gegangenes Vertrauen in ihr Krisenmanagement wiederherzustellen.

Weitere Artikel dieser Ausgabe