Sie selbst

Kolumne | Direktnachricht

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DPA/APA/PICTUREDESK.COM
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Sie selbst

Kolumne | Direktnachricht

„Würdeloses Weib“, „Sie Schwein“, „Hexe“ – das sind nur einige der Kommentare, die sich die SPD-Abgeordnete Lenelotte von Bothmer zigfach anhören musste. Ihr „Vergehen“? Sie trug als erste Frau im Bundestag einen Hosenanzug und handelte sich damit ein, was man heute Shitstorm nennt. 50 Jahre ist dieser Moment erst her.

Insbesondere Mädchen, Frauen und Menschen marginalisierter Geschlechter über Kleidervorschriften kontrollieren zu wollen, ist leider heute noch aktuell. Gerade erst sorgten die norwegischen Beachhandballerinnen für Aufmerksamkeit: Bei der Europameisterschaft trugen sie statt vorgeschriebener knapper Bikinihosen lieber längere Shorts und kassierten dafür ein Strafgeld. Die deutschen Turnerinnen setzten wiederum bei Olympia in Ganzkörperanzügen erneut ein Zeichen gegen den sexualisierenden Blick auf sie und ihren Sport.

Ein jüngstes Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zementierte vor kurzem die Diskriminierung muslimischer Frauen mit Kopftuch am Arbeitsplatz, indem es ein Kopftuchverbot rechtfertigte. Es bleibt also dabei: Putzen Frauen mit Kopftuch still die Büroräume nach Feierabend, sind sie erwünscht. Wollen sie aber einen Arbeitsplatz im Büro oder gar die Chefin werden, drängt man sie unter dem Vorwand der „Neutralität“ raus und wirft ihnen vor, „soziale Konflikte“ auszulösen.

Eine weitere Kleidungsdebatte gibt es derweil in den USA anhand der Show „Muppet Babies“. Das Ablegerformat der berühmten „Muppet Show“ richtet sich an ein junges Publikum und zeigte die beliebte Figur Gonzo zuletzt in einem Kleid als „Prinzessin Gonzorella“, verbunden mit einer herzerwärmenden Botschaft der Akzeptanz. Der Backlash von Rechts folgte sofort, wir bräuchten endlich wieder „mehr männlich auftretende Muppets“, hieß es unter anderem. Es wäre lustig (haben diese Menschen wirklich jemals die Muppets gesehen?), wäre es nicht so traurig, dass selbst simple Botschaften der Menschlichkeit direkt Hass nach sich ziehen.

Kleidung hat kein Geschlecht. Kleidung ist zuerst einmal praktisch. Sie bietet uns außerdem enorm viele Möglichkeiten, uns selbst darüber auszudrücken. Kleidung als Mittel zur Maßregelung und Unterdrückung zu benutzen, hat in einer wirklich geschlechtergerechten Gesellschaft schlicht keinen Platz. Oder in den Worten von Prinzessin Gonzorella: „Ich möchte nichts tun, nur weil es schon immer so gemacht wurde. Ich möchte einfach ich selbst sein.“

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