Sonderposten

Kolumne | Aus dem Bannaskreis

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Kolumne | Aus dem Bannaskreis

Dreimal hat Ralph Brinkhaus bisher um den CDU/CSU-Fraktionsvorsitz gekämpft. Als 2018 die Wahl turnusgemäß anstand, trat er – ungehörigerweise – gegen Merkels Vertrauten, Amtsinhaber Volker Kauder an. Brinkhaus gewann, auch weil die CSU-Abgeordneten sich von Kauder wegen dessen Unterstützung für Merkels Flüchtlingspolitik abgewandt hatten. Im vergangenen Frühjahr dann begründete Brinkhaus seinen Wunsch, auch nach der Bundestagswahl Fraktionschef bleiben zu wollen, mit dem Hinweis, der werde schließlich von ihren Abgeordneten gewählt, womit er das ungeschriebene Vorschlagsrecht der beiden Parteivorsitzenden, Armin Laschet (CDU) und Markus Söder (CSU), in Frage stellte. Nach der Bundestagswahl setzte er seine Wiederwahl in der Fraktion durch – gegen den Willen Laschets, das Amt nur für eine kurze Übergangszeit zu vergeben.

Unter den Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen ist der von CDU/CSU ein Solitär. Als Einziger wird er von Abgeordneten zweier Parteien gewählt. Auch im Gefüge der beiden – argwöhnisch wie lange nicht auf ihre Selbständigkeit achtenden – Schwesterparteien nimmt der Unions-Fraktionschef einen Sonderstatus ein. Weil CDU und CSU gemeinsame Führungsgremien und Parteitage nicht haben, stellt – sieht man von ihrer Nachwuchsorganisation ab – die gemeinsame Bundestagsfraktion das einzige Gremium von CDU und CSU dar, in dem Politiker der Stärke ihrer Parteien entsprechend vertreten sind.

Für ihren Vorsitzenden ergeben sich daraus im Bundestag wie auch im parteiinternen Betrieb eine Machtposition und Karriereaussichten sondergleichen, weshalb sich über Jahrzehnte hinweg der Brauch herausbildete, dass nach Bundestagswahlen der Fraktionschef auf Vorschlag der Parteivorsitzenden von CDU und CSU – zunächst für ein Jahr – von den Abgeordneten gewählt werde. Schließlich war für Helmut Kohl und Angela Merkel der Vorsitz in der Fraktion das Sprungbrett ins Bundeskanzleramt – für Merkel erst, nachdem sie Friedrich Merz im Kampf um deren Spitze ausgebootet hatte. Als Kanzler waren beide auf eine gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Fraktionschef angewiesen – Kohl einst auf Wolfgang Schäuble, Merkel auf Volker Kauder. Und nun?

Mit dem Kompromiss, statt für ein ganzes Jahr zunächst nur ein halbes zu amtieren, kann Brinkhaus gut leben. Bis April bekommt er viele Gelegenheiten, sich zu bewähren und Anhänger in der Fraktion zu sammeln – für seinen vierten Kampf um das Amt des Fraktionschefs. Er kann Abgeordnete fördern. Wenn sich SPD, Grüne und FDP auf eine Koalition verständigt haben, wird er auf die Regierungserklärung von Olaf Scholz antworten. Brinkhaus ist ein scharfzüngiger Redner. Den Tenor seiner Oppositionsstrategie hat er schon vorgegeben. Das Sondierungspapier der Ampelparteien sei „die strammste Linksagenda, die wir seit Jahrzehnten in Deutschland gehabt haben“, sagte er. Laschet sieht das anders. Doch die Rolle des Oppositionsführers wird sich Brinkhaus nicht nehmen lassen wollen. Ein nachhaltiges Arrangement mit dem künftigen CDU-Vorsitzenden, zumal wenn dieser (wie Friedrich Merz, Norbert Röttgen, Jens Spahn oder Helge Braun) auch noch Mitglied der Fraktion ist, scheint ausgeschlossen – es sei denn, Brinkhaus selbst würde im Januar zum CDU-Chef gewählt.

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