Sparwitz

Kolumne | Auf den Zweiten Blick

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Sparwitz

Kolumne | Auf den Zweiten Blick

Derzeit herrscht Inflation. Die liegt höher, als Notenbankern und Verbrauchern geheuer ist. Um mehr als 4 Prozent steigen die Preise aktuell. Und es könnte gut sein, dass sich das Tempo der Geldentwertung schon bald auf 5 Prozent im Vorjahresvergleich erhöht, was ziemlich bedrohlich klingt.

Im vergangenen Jahr sah die Welt noch ganz anders aus. Da sanken die Preise, im Dezember um 0,3 Prozent. Und das ungeachtet einer regelrechten Geldschwemme bei Nullzinsen, mit der Europa seit Jahren geflutet wird. Das klang damals nicht minder bedrohlich, wobei sich trefflich darüber streiten ließe, was für Volkswirtschaften gefährlicher ist: Deflation oder Inflation.

Derzeit ist eine Debatte darüber entbrannt, warum das Tempo der Preissteigerung anzieht. Die Frage wird sich – wie so häufig in der Wirtschaftsgeschichte – erst im Nachhinein beantworten lassen. Eines aber lässt sich heute schon sagen: Für konservative Sparer ist die Kombination von Null- oder gar Minuszinsen und Inflation die schlechteste aller Welten, weil das Geld auf dem Konto im Extremfall gleich doppelt an Wert verliert. In Zeiten von Inflation müssten die Zinsen eigentlich steigen, nicht nur, weil den Sparern dadurch der Nachteil der Geldentwertung kompensiert, sondern auch, weil die Geldschwemme eingedämmt und sich das Geldangebot verknappen würde. Die europäische Notenbank müsste also handeln. Sie hätte die Chance, den Zins als zentrale Steuerungsgröße für Investitions-, Spar- und Konsumverhalten endlich wieder zu etablieren. Doch verweigert sie diesen Schritt.

Das Zusammenspiel von Inflations- und Zinsentwicklung hat allerdings nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine sozialpsychologische Seite, die ihrerseits wieder auf die Ökonomie zurückwirkt. Denn seit nunmehr fast zwei Jahrzehnten wächst eine Generation ohne die Gewissheit heran, dass das Sparen sich lohnt. Sie hat verlernt, wie es sich anfühlt, dass Konsumverzicht heute durch den Zins- und Zinseszinseffekt halbwegs berechenbaren Vermögenszuwachs in der Zukunft bringt. Kein Wunder, gerade das will ihr die Notenbank schließlich auch beibringen: Nicht das Sparen, sondern das Konsumieren und Investieren beflügeln die Wirtschaft. Und am besten machen da alle mit.

Die Zeiten des konservativen, risikoaversen Sparens sind jedenfalls vorüber. Das Sparbuch, in das man in den 1970er- und 1980er-Jahren noch seine Ersparnisse eintragen ließ, nachdem man sie zur Bank getragen hatte, gibt es nicht mehr. Und Festgeld, das ein Jahrzehnt später das Sparbuch ersetzte, bringt auch nichts mehr. Wer heute spart, was natürlich noch möglich ist, muss nicht auf Zins, sondern Rendite setzen, die ihm – wenn er Glück hat – den Wertverlust durch die Inflation kompensiert. Von den Aktienmärkten war man derlei gewöhnt. Doch selbst am Markt für Bundesanleihen bringen nur noch die Kursgewinne einen Vermögenszuwachs. Will sagen, wer Rendite erzielen will, die den Zins ersetzt, muss sich ins Risiko begeben. Auch das lernt die Nullzins-Generation seit Jahren. Sicher ist: Das wird ihr Verhalten prägen. Ob zum Vor- oder Nachteil der Wirtschaft, wird sich noch zeigen.

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