Tränen und Trauer

Editorial des Verlegers

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Tränen und Trauer

Editorial des Verlegers

Liebe Leserinnen und Leser,

seit vielen Monaten findet nicht nur in den Feuilletons, intellektuellen Zeitschriften und den elektrosozialen Medien eine Debatte über deutsche und internationale Gedenkkultur statt.

Im Merkur ist in den vergangenen Monaten eine Reihe von überaus lesenswerten Beiträgen erschienen. Auch Per Leos Buch, „Tränen ohne Trauer. Nach der Erinnerungskultur“ ist, auch wenn man da und dort entschlossen widersprechen will, doch anregend und aller Debatten wert.

Andrea Löw vom Institut für Zeitgeschichte in München schreibt Beiträge zu dieser Debatte, die keine sind, das heißt, die keine explizite Position in jenen Deutungskämpfen beziehen, aber durch ihre Vergegenwärtigung des Schreckens für sich sprechen. Wie auch immer Erinnerungskultur aussehen soll, keine unwichtige oder irrelevante Frage, zeigt uns Löw, stellvertretende Leiterin des Zentrums für Holocaust-Studien am IfZ, doch auch in ihrem Text in diesem Hauptstadtbrief am Samstag anlässlich des Beginns der systematischen Deportationen von jüdischen Menschen vor 80 Jahren wieder nur zu eindringlich, um wen und was es in diesen Debatten geht, welcher Verbrechen und welchen Schicksalen es zu gedenken gilt.

Ralph Diermann ordnet in seinem Beitrag über die steigenden Energiepreise nüchtern Ursachen, Folgen und mögliche politisch-technische Reaktionen ein – ein Fingerzeig auch in Richtung Glasgow, wo in diesen Tagen ökologische Weichenstellungen von noch größerer Tragweite verhandelt werden.

Unsere Kolumnistin Anne Wizorek verfolgt die derzeitigen Koalitionsverhandlungen mit einem anderen Blick als so viele der vermeintlich professionellen Politikvertreterinnen und -vertreter, für die alles Verhandlungsmasse sein darf, je nach taktischem Kalkül. Wizoreks Direktnachricht spricht klar aus, welche Folgen etwa die Kürzungen für Frauenhäuser hätten. Auf den Punkt: Was ist uns, fragt sie, der Schutz von „Alleinerziehenden, geflüchteten Frauen, behinderten Frauen, allen, die gewaltvollen Beziehungen entfliehen wollen,“ wert?

Mit herzlichen Grüßen verbleibe ich – bis morgen

Ihr Detlef Prinz

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