Umsturz

Mail aus Amerika

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Umsturz

Mail aus Amerika

Diese Woche haben die öffentlichen Kongress-Anhörungen zu den Ereignissen am 6. Januar 2021 begonnen – nachdem unter Ausschluss der Öffentlichkeit schon hunderte Befragungen von hoch- und nachrangigen Beteiligten stattgefunden haben. Es ist nicht so, dass es nicht zu neuen Erkenntnissen und einem besseren Verständnis der Vorbereitung des Sturms der Trumpisten auf das Kapitol in Washington und der Machenschaften im Hintergrund kommen könnte.

Da die strafrechtlich relevanten Ermittlungen, in ziemlich quälend langsamem Tempo, über das Department of Justice unter Attorney General Merrick Garland laufen – dessen Rolle im Unterschied zu Deutschland eher die eines Justizministers und Generalbundes­anwalts ist – richten sich die Anhörungen hauptsächlich an die amerikanische Öffentlichkeit.

Nachdem Special Investigator Robert Mueller seinen zweiteiligen Report über die Verbindungen des Trump-Lagers im Wahlkampf 2016 zu russischen Agenten und die – haarsträubenden – Versuche im Anschluss, die Ermittlungen zu verhindern, vorlegte, endeten diese, in den Worten T.S. Eliots not with a bang, but a whimper, nicht mit einem Knall, sondern eher einem Wimmern. Zu umfangreich, zu umständlich, zu zurückhaltend vorsichtig formuliert war das alles. Dass Garlands Vorgänger im Justizministerium, Bill Barr, den Bericht zwei Wochen lang zurückhielt und derweil ungeniert falsch daraus zitierte – um nicht zu sagen, glatte Lügen erzählte – tat sein Übriges.

Das Jan. 6-Komitee dürfte aus dem PR-Desaster gelernt haben, hat kürzere Sitzungen anvisiert, wichtige Zeugen für die prime time reserviert und Einspieler mit besonders horrenden Szenen vorbereitet. Es geht darum, dem Publikum in aller Deutlichkeit klarzumachen, was die Trump unentwegt huldigenden Republikaner bis zur vollständigen Selbstverleugnung zu verdrängen versuchen: Der abgewählte Präsident und seinen Lakaien haben nichts weniger als einen Staatsstreich im Schilde geführt.

Der Angriff des Mobs sollte die Zertifizierung der Präsidentschafts­wahlen, wenn nicht verhindern, so doch wenigstens so lange hinauszögern, bis man Vizepräsident Mike Pence, zuständig für den formalen Akt der Anerkennung, dazu gebracht hätte, sogenannte „alternative Wahlmänner“ aus mehreren Bundesstaaten anzuerkennen, die entgegen dem Ergebnis ihre Stimme für Trump abgegeben hätten. Es war schlichtweg der Versuch, die Demokratie abzuschaffen.

Auf den Stufen vor dem Kapitol skandierten die Frondeure „Hang Mike Pence“ – und hätten einen Galgen gleich im Gepäck mitgebracht.

Die Personenschützer hatten Pence derweil vermeintlich in Sicherheit gebracht, wie aus Gerichtsakten jüngst bekannt wurde, zu einer Lagergarage unterhalb des Gebäudekomplexes. Allison Gill vom vorzüglich informierten Podcast Mueller She Wrote berichtet, dass die Sicherheitsausweise von Pence und seinen Begleitern in jenen Stunden deaktiviert worden waren.

Pence weigerte sich indes, in eine gepanzerte Limousine zu steigen und das Kapitol zu verlassen, da er allem Anschein nach befürchtete, aus dem Spiel genommen zu werden. Jamie Raskin, Mitglied des Jan. 6 committees nannte Pence’ Satz: „Ich steige nicht ins Auto“ die fünf „furchterregendsten Worte dieser ganzen Sache, auf die ich bisher gestoßen bin“. More to come.

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