(Un-)Geist und Macht

Postskriptum

30
01
30
01

(Un-)Geist und Macht

Postskriptum

Die (Irr-)Logik ist leider wohlbekannt. Bei beinahe jedem öffentlichen Skandal reagieren die Beschuldigten ähnlich: Erst wird abgestritten und zu vertuschen versucht, dann relativiert, heruntergespielt und auf nicht-charakterliche Einzelfälle verwiesen, schließlich scheibchenweise gestanden, notwendige Folgen aber auf die lange Bank geschoben oder höchstens halbherzig in Angriff genommen.

Vergehen, Versäumnisse und die moralische Fallhöhe sind in Sachen Missbrauchsfälle und des Umgangs mit ihnen in der katholischen Kirche besonders eklatant. Die Wirkmacht der Binnenlogik einer Institution wird deshalb besonders deutlich.

Verstehen sich die Mitglieder einer Einrichtung als „heilige Gefäße“, erscheint Kritik, erscheinen selbst konkrete Anschuldigungen besonders abstoßender Handlungen oder deren Verschleierung nur noch mehr auch als Infragestellung, ja, als Angriff auf die Idee, die Mission, das vermeintliche Wesen jener Institution.

Dann spielt es fürs Erste auch keine Rolle, wenn die Vergehen in direktem Widerspruch zu jenem Daseinsgrund, ja, wider die Heilsgeschichte der Una Sancta stehen.

Warum setzt sich die reflexhafte Verteidigung der jeweiligen Binnenlogik immer wieder durch, obgleich sich das starre Beharren so gut wie immer als falsch erweist, eben nicht nur moralisch, sondern auch für die Institution selbst, ihren Einfluss, ihre Bedeutung, ihr Wohlergehen? Befürchtet der potenzielle Aufklärer, Klartext-Redner, Strukturen-Aufbrecher, sich im Bannkreis materieller und immaterieller Besitzstandswahrung, unter Kollegen, Freunden, Amtsbrüdern unbeliebt zu machen, ausgestoßen zu werden, zum Verräter an der gemeinsamen Sache abgestempelt zu werden?

Vor zehn Jahren schrieb der Publizist und klassische Feuilleton-Katholik Jan Roß in seinem überaus klugen Traktat „Die Verteidigung des Menschen. Warum Gott gebraucht wird“ über die segensreiche Trennung der Sphären, hier die Macht, dort die des Glaubens: „Die Religion soll nicht herrschen wollen: Das ist die Absage an den Fundamentalismus. Die Macht darf aber auch nicht in den Glauben hineinkommandieren: Das ist die Verteidigung des Gewissens.“

Man muss kein Protestant sein, um an einem Klerus zu (ver-)zweifeln, der sich mit der irdisch-institutionellen Macht verwechselt.

Weitere Artikel dieser Ausgabe