Was würde Peter sagen

Von Frühvollendeten und außergewöhnlichen Lebensläufen: Das System Laschet und seines Teams

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PICTURE ALLIANCE/DPA | KAY NIETFELD
Neu im Team: Tanit Koch berät Armin Laschet
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Neu im Team: Tanit Koch berät Armin Laschet

Was würde Peter sagen

Von Frühvollendeten und außergewöhnlichen Lebensläufen: Das System Laschet und seines Teams

Es ist ein lauer Abend im Sommer 2014, als Armin Laschet die wohl wichtigste Personalentscheidung seiner politischen Laufbahn verkündet. Als Oppositionsführer in Düsseldorf präsentiert er einen jungen Mann mit Seitenscheitel, freundlichen braunen Augen und ungewöhnlichem Vornamen: Nathanael Liminski werde sein neuer Fraktionsgeschäftsführer, verkündet Laschet, „ein junger Familienvater mit breiter politischer Erfahrung“.

Liminski ist da erst 28 Jahre alt und hat schon drei Kinder. Stolz referiert Laschet den Lebenslauf seines Neuzugangs: Liminski habe Geschichte und Politikwissenschaften in Bonn und „an der berühmten Sorbonne“ in Paris studiert, sei „in jungen Jahren“ Redenschreiber in Hessen gewesen und dann in den Planungs- und Leitungsstab des Verteidigungs- und Innenministeriums nach Berlin gewechselt. „Sorbonne, so, so“, wird nach dem Abend auf Laschets Terrasse geschmunzelt. Den landespolitischen Betrieb in Düsseldorf zeichnet eine feine Ironie aus. Man nimmt sich nicht so wichtig. Neuzugänge aus Berlin haben es in Düsseldorf oft nicht leicht, weil das Bedeutungsvolle der Hauptstadt dort schnell lächerlich wirkt.

Doch über die kommenden Jahre sollte sich das widersprüchliche Gespann aus liberalem Laschet und konservativem Liminski als geradezu kongenial herausstellen – auch und gerade wegen der Gegensätze: Liminiski, gebürtiger Bonner mit Abiturnote 1,1, gilt im Gegensatz zu seinem Chef als Frühvollendeter. Mit neun Geschwistern ist er in der katholischen Familie des Journalisten Jürgen Liminski aufgewachsen. Der Vater, einst Deutschlandfunk-Redakteur, kämpfte öffentlich für ein traditionelles Familienbild. Umstände, die nun auch im Bundestagswahlkampf skandalisiert werden. Doch die konservativen Äußerungen zu vorehelichem Sex oder Homosexualität von einst taugen kaum zur Beurteilung des heutigen Chefs der Staatskanzlei: Liminski hält sich öffentlich zurück, in Hintergrundgesprächen ist er offen, zugewandt, erläutert geduldig komplizierte Sachverhalte und ist in allen Details im Bilde. Er organisiert den Regierungsalltag in Düsseldorf, aber auch Laschets innerparteilichen Aufstieg zum Unions-Kanzlerkandidaten. Dass er ein enges, freundschaftliches Verhältnis zu CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak hat, der sogar Patenonkel eines seiner Kinder ist, scheint im herausfordernden Alltag zwischen Düsseldorf und Berlin hilfreich.

Dennoch: Auch Liminskis Tag habe nur 24 Stunden, heißt es bisweilen, wenn im Düsseldorfer Regierungsbetrieb und in der bundespolitischen Kampagne mal wieder etwas schiefläuft. Das klingt eigentlich etwas zu ehrfurchtsvoll für einen 35-Jährigen. Im Alltag ist Liminski mitunter zu sehr Nadelöhr zu Laschet. Dabei hat dieser selbst die Gefahr erkannt: Ein Apparat dürfe nie aus Rücksicht auf den Chef zum Schweigen gebracht werden. Dann werde es gefährlich: „Wenn man im Zentrum der Macht sitzt und sich abschottet. Wenn Mitarbeiter sich nicht mehr trauen, Sorgen, aber vor allem auch Kritik an einen heranzutragen.“ Laschet hilft es, dass er kein Freund-Feind-Denken kennt, sondern ihm eher die persönliche Chemie wichtig ist. Man findet ehemalige Mitarbeiter mit SPD- oder Grünen-Parteibuch, die von Laschets Führungsstil schwärmen. Und treue CDU-Mitglieder, die für einen solch launischen und sprunghaften Vorgesetzten nie wieder arbeiten wollen.

Die wohl dienstälteste Mitarbeiterin des Kanzlerkandidaten ist Katrin Kohl. Seit fast 15 Jahren begleitet sie Laschet in verschiedenen Funktionen, aktuell als Abteilungsleiterin in der Staatskanzlei. Kohl weiß, wann sie mit Laschet eine Raucherpause einlegen muss, welche Flurgespräche für ihn wichtig sind und wo sie ihn zur Disziplin mahnen muss. Laschet lässt sich von Kohl ebenso duzen wie von der freundlich-zurückhaltenden Justine Schramowski im Vorzimmer. Sie ist die Herrin über seinen Terminkalender.

Zum engeren Kreis gehört ebenfalls Staatssekretär Mark Speich, obwohl er als NRW-Bevollmächtigter beim Bund in Berlin lebt und arbeitet. Der promovierte Politikwissenschaftler tritt stets kontrolliert auf und will in seiner konservativen Attitüde nicht recht zum leutseligen Laschet passen. Er kennt die Union als ehemaliger Referent der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gut und hat als Geschäftsführer der Vodafone-Stiftung schon mal seinen Horizont außerhalb der Politik erweitert. Auch Serap Güler ist eine enge Vertraute. Laschet lernte die heutige NRW-Integrationsstaatssekretärin, die als Gastarbeiter-Kind im nördlichen Ruhrgebiet aufwuchs, als Studentin kennen. Er fördert Gülers Karriere, die sich gerade um ein Bundestagsmandat bewirbt und im CDU-Bundesvorstand sitzt. Gerade im unions-internen Machtkampf um die Kanzlerkandidatur war sie eine Stütze.

Dabei entspricht Laschet überhaupt nicht dem Typus Politiker, der ein Netz aus Abhängigkeiten und Loyalitäten kreiert, um später daraus Nutzen ziehen. Er war zwar aktiver Teil der legendären Bonner Pizza Connection (in der früh schwarz-grüne Gemeinsamkeiten ausgelotet und koalitionäre Planspiele angestellt wurden), wird – Jahrzehnte nach seiner Gründung – auch Mitglied des legendären Andenpakts, einem CDU-Freundeskreises, aus dem im Laufe der Zeit eine ganze Reihe von Ministerpräsidenten hervorgingen, und zählt zum Leichlinger Kreis, einer informellen Gesprächsrunde der NRW-CDU um Herbert Reul, Ex-CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe und Ronald Pofalla. Mit diesen Männern pflegt Laschet einen eher inhaltlichen, weniger machtpolitischen Austausch. Die Unions-Männer gehören ebenfalls zu seinen Ratgebern wie seine drei Brüder, denen er bisweilen auch mal Redemanuskripte zuschickt.

Auch Namen wie Klaus Schuler, einst langjähriger Bundesgeschäftsführer der CDU und nun Bevollmächtigter beim Kölner Chemieunternehmen Lanxess, oder Michael Rutz fallen immer wieder. Mit Rutz, der viele Jahre beim Bayerischen Rundfunk arbeitete und später Chefredakteur des Rheinischen Merkur war, verbindet Laschet seit Studientagen eine enge Freundschaft. Vor der Landtagswahl 2017 nimmt sich Rutz vier Wochen Zeit, um seinem Freund beratend zur Seite zu stehen – vor allem für das TV-Duell. Im aktuellen Bundestagswahlkampf hat diese Rolle nun Tanit Koch übernommen: Die 44-Jährige war bereits Chefredakteurin der Bild-Zeitung sowie der Fernsehsender RTL und n-tv und ist eine typische Laschet-Personalie. Ihn beeindrucken interessante Lebensläufe – auch und gerade jenseits der typischen Parteikarrieren.

Koch, die erst seit einigen Wochen Teil des Teams Laschet ist, steht nun jedoch vor der Herausforderung, die Kommunikation des Kandidaten mit den Anfragen und Aufgaben des NRW-Ministerpräsidenten zu orchestrieren – und scharf abzugrenzen. Gerade in Zeiten der schnellen, digitalen, mitunter gehässigen Kommunikation, aber auch Ereignissen wie der Flutkatastrophe oder der Corona-Pandemie keine einfache Aufgabe. Auf Seiten der Staatskanzlei trifft sie dabei auf Christian Wiermer. Der ehemalige Hauptstadt-Korrespondent des Kölner Express begleitet Laschet seit 2017 eng als Regierungssprecher.

Bisweilen scheint es aber so, als ließe sich Laschet nur begrenzt medial beraten. Auf die Frage nach der wichtigsten Persönlichkeit für seine politische Karriere, nennt Laschet ohnehin den Namen des ehemaligen CDU-Generalsekretärs und Bundestagsabgeordneten Peter Hintze. 2016 erlag Hintze mit 66 Jahren einem Krebsleiden. Über Jahre half er Laschet, gab Tipps. „Oft habe ich, wenn er nicht da war, gedacht, was Peter jetzt wohl sagen und raten und wie er manches formulieren oder entscheiden würde“, schrieb Laschet zum Tod des Freundes. Es ist ein Satz, der bis heute Gültigkeit hat. Noch immer, so erzählen es Mitarbeiter aus der Staatskanzlei, werde dort viel über Hintze gesprochen.

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