Wechselmodell

Kolumne | Auf den Zweiten Blick

03
07
03
07

Wechselmodell

Kolumne | Auf den Zweiten Blick

Viel zu lange war Fußball ausschließlich Männersache. Das wird bei dieser EM besonders augenfällig. Zwar werden die Spiele noch immer bis auf eine Ausnahme von Sportreportern und nicht von Sportreporterinnen kommentiert, doch haben ARD und ZDF endlich Expertinnen für ihre EM-Teams engagiert.

In der ARD macht die Nationaltorhüterin Almuth Schult einen grandiosen Job und stellt ihre männliche Konkurrenz mit jedem weiteren Einsatz in den Schatten. Beim ZDF assistiert die zweimalige Weltmeisterin und heutige Trainerin Ariane Hingst als Co-Kommentatorin Claudia Neumann, die derzeit als einzige Frau EM-Spiele kommentieren darf. So viel Frauen-Power war bei einem internationalen Turnier noch nie. Schon deshalb hat dieser Wettkampf seinen ganz eigenen Reiz.

Mutlose Männer, klammernd und abgewirtschaftet

Einer der bisher wohl aufregendsten Fußballabende der EM 2021, an dem Spanien gegen Kroatien siegte und die Schweiz Frankreich aus dem Turnier warf, hatte nicht nur wegen der Spiele selbst einen hohen Spannungsfaktor. Erst kommentierten zwei Frauen, dann zwei Männer. Der Unterschied lag dabei weniger in der Fachkunde, die an dieser Stelle nicht beurteilt werden soll, sondern in der Tonalität. Die Damen kommentierten sachlicher, die Männer emotionaler. Beides braucht es. Die einen waren zurückhaltender in ihren Vorhersagen der Spielverläufe, die anderen mutiger, lagen an jenem Abend aber immer wieder daneben. Keines von beiden ist besser oder schlechter. Die Vielfalt zählt. Frauen tun dem Erscheinungsbild des Männerfußballs mehr als gut.

Zugegebenermaßen etwas gewagt könnte man sogar noch weitergehen: Frauen täten dem Männerfußball wahrscheinlich nicht nur auf dem Bildschirm gut. Damit sich dieser Sport endlich seines archaischen Machismus entledigt, der seiner Weiterentwicklung so sehr im Wege steht, braucht es nicht weniger als einen Neubeginn. Und der finge ganz oben an. Spätestens bei der Weltmeisterschaft 2018 hätten sich die Männer im Präsidium des DFB das eingestehen müssen. Den Mut dafür brachten sie nicht auf, sie hätten sich selbst entmachten müssen. Mit dem frühen Scheitern von Trainer, Mannschaft und vor allem deren Management bei dieser EM ist es nun mehr als offensichtlich, dass sich der deutsche Fußball mit bestehendem Personal und damit aus sich heraus nicht reformieren kann. Mehr Diversität wäre zumindest eine Chance, dass der so erbärmlich abgewirtschaftete DFB seine Strukturprobleme in den Griff bekommt.

Hochprofessionelle, durchsetzungsstarke Frauen sind endlich bereit, Verantwortung zu übernehmen, sogar an der Spitze. Zu lange hatten auch sie das in Deutschland Unmögliche nicht denken wollen – nämlich dass weibliche Expertise dem ausschließlich von Männern dominierten Männerfußball helfen kann. Inzwischen aber steht für viele außer Frage, so manch einer Frau sehr viel mehr zuzutrauen als der überalterten, verfilzten Truppe, die derzeit im deutschen Fußball das Sagen hat.

Weitere Artikel dieser Ausgabe