Wurstigkeiten

Kolumne | Auf den Zweiten Blick

14
08
14
08

Wurstigkeiten

Kolumne | Auf den Zweiten Blick

Es liegt nahe, sich am Ende dieser Woche noch einmal über die Currywurst Gedanken zu machen. Wer es noch nicht weiß: Die Currywurst ist keine Wolfsburger, sondern eine Berliner Erfindung der Imbissbudenbesitzerin Herta Heuwer aus dem Jahr 1949. Besonders macht die Wurst die Soße aus Chili, Ketchup und einer bestimmten Gewürzmischung. Nur in Wolfsburg wird schon dem Fleisch Curry beigemischt, was eigentlich nicht richtig ist.

Hunderte Millionen Currywürste werden jährlich verspeist, von denen sieben Millionen in einer Fleischerei produziert werden, die dem Automobilkonzert VW gehört. Gesund ist die Wurst bei 64 Gramm Fett nicht. Egal. Seit 2009 hat die Wurst in Berlin sogar ein eigenes Museum. Und schon viel länger mindestens zwei berühmte Fans: Herbert Grönemeyer und vor allem Gerhard Schröder.

Diesem Volksgericht steht jetzt – bei Volkswagen – das Aus bevor. Die Kantine soll nach dem Werksurlaub fleischlos werden, aus Gesundheits- und Umweltgründen. Bemerkenswert daran ist zunächst einmal die Attitüde der Konzernspitze, die tatsächlich meint, die VW-Belegschaft durch ein Verbot zur besseren Ernährung und zu klimafreundlicherem Verhalten erziehen zu können.

Gewürzt mit einer Prise Paternalismus

Bemerkenswert ist ferner, dass ein Automobilkonzern überhaupt eine Metzgerei betreibt, die in dem Moment ihre Berechtigung verliert, in dem die Mitarbeiter keine Currywurst mehr serviert bekommen. Wäre es da noch in Ordnung, dass VW seine Wurst ausschließlich extern anbietet – was zu 80 Prozent so oder so schon geschieht – und damit zwar nicht mehr die Gesundheits- und Umweltbemühungen der eigenen Belegschaft, aber doch die von ganz Wolfsburg und Hannover, ja, ganz Niedersachsen zu unterläuft? Spätestens, wenn das letzte Auto mit Verbrennungsmotor vom Band rollt, müsste auch die Currywurst-Fleischerei geschlossen werden.

Bemerkenswert ist noch ein dritter Aspekt. Und der liegt – sozusagen – auf der Metaebene. Dass nämlich sowohl die Attitüde als auch das Faktum einer eigenen Fleischerei wohl nur in einem Konzern möglich sind, bei dem so oder so alles ein bisschen anders funktioniert, weil das Land Niedersachsen 20 Prozent der Stimmrechte auf sich vereint und immer und überall ein gewichtiges Wörtchen mitzureden hat. Der Umgang mit der Wurst und den Mitarbeitern ist Paternalismus pur, bei dem alles Gute nur von oben kommen kann.

Geht man davon aus, dass der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil als VW-Aufsichtsratsmitglied die Currywurst-Entscheidung mitgetragen hat, dann könnte es für das Gericht in ganz Niedersachsen nicht besonders rosig aussehen. Konsequenterweise müsste er Currywürste nach dem Sommer im ganzen Land verbieten lassen. Ganz ehrlich, Gerhard Schröder wäre das als Ministerpräsident nicht passiert.

Weitere Artikel dieser Ausgabe