Zur Ehre der Partei-Altäre

Kolumne | Aus dem Bannaskreis

19
12
19
12

Zur Ehre der Partei-Altäre

Kolumne | Aus dem Bannaskreis

Ehre, wem Ehre gebührt? Zur Tradition der CDU und deren Selbstverständnis als immerwährende Regierungspartei gehört es, ihre ehemaligen Kanzler mit dem Titel des Ehrenvorsitzes der Partei zu versehen: Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Kurt Georg Kiesinger und Helmut Kohl. Kann ihre Partei nun darauf verzichten, wo sich vor der Wahl von Olaf Scholz zum Bundeskanzler sogar die Abgeordneten des Bundestages (außer denen der AfD) als Dankeschön für 16 Jahre Kanzlerschaft erhoben und der auf der Gästetribüne sitzenden Angela Merkel Beifall gezollt hatten? Ein Akt der Ehrerbietung sondergleichen war es. Und nun, genug der Ehre?

Andere Bundestagsparteien haben andere Bräuche. Sparsam sind die Sozialdemokraten. Nur Willy Brandt wurde zum Ehrenvorsitzenden der Bundes-SPD gemacht, nicht aber Helmut Schmidt und schon gar nicht Gerhard Schröder, zu dem die Partei ein gebrochenes Verhältnis hat. Freigiebig war die FDP. Vor zwei Jahrzehnten residierten auf ihren Parteitagen gleich drei Ehrenvorsitzende am Vorstandstisch – als wirkmächtige Erinnerung an glorreiche Zeiten: Walter Scheel, Hans-Dietrich Genscher, Otto Graf Lambsdorff. Vor gut einem Jahr wurde Hermann Otto Solms für seine Verdienste vor allem als erfolgreicher Schatzmeister zum Ehrenvorsitzenden der FDP ernannt. Bei der CSU sind es Edmund Stoiber, Theo Waigel und auch Horst Seehofer, wobei anzufügen ist, dass Franz Josef Strauß im Amt des Parteichefs starb. Auch die AfD hat einen Ehrenvorsitzenden (Alexander Gauland), nicht aber die Grünen, was (noch?) ihrem antiautoritären Verständnis von Politik entspricht. Bei der Linkspartei ist das umständehalber auch so.

Doch über den Ehrenvorsitz für Merkel scheint noch nicht entschieden, was auch mit Kohl zusammenhängt. Sein Ehrenamt legte er nieder, weil ihn die CDU – aus seiner Sicht – in der Spendenaffäre im Stich gelassen hatte. Zuvor hatte Kohl die mit dem Ehrenvorsitz verbundene Möglichkeit, an Sitzungen der Parteiführung teilzunehmen, strapazierend ausgenutzt und war weiter wie ein Chef aufgetreten. Merkel hatte das als CDU-Generalsekretärin zu ertragen. Nun werden Ehrenvorsitzende in der Regel per minutenlanger Akklamation eines Parteitages gekürt. Das Ganze auf dem im Januar digital abzuhaltenden CDU-Parteitag, bei dem die tausend Delegierten daheim am Laptop sitzen? Es wäre ein Novum.

Ehemalige Kanzler erhalten im Bundestag eigene Büroräumlichkeiten, und Merkel beantragte dafür „im Bundesinteresse“ neun Planstellen – zwei mehr als Schröder. Details sind zwischen Merkel, dem Kanzleramt, das die Personalkosten trägt, und der Bundestagsverwaltung zu regeln, die die Räume mietfrei zur Verfügung stellt. Bloß eines Buches wegen? „Die Kanzlerin möchte nicht ihr ganzes Leben nacherzählen“, sagte ihre bisherige Büroleiterin Beate Baumann dem Spiegel. Baumann, die sich nun als „politische Beraterin“ versteht und das Werk gemeinsam – „ohne Ghostwriter, ohne Historiker, ohne Journalisten“ – mit der Ex-Kanzlerin verfassen will, sagte über Merkel: „Sie möchte ihre zentralen politischen Entscheidungen in eigenen Worten erklären.“ Einmischungen können die Folge sein. Schon gibt es Gerede in der CDU. Von wegen Ruhestand.

Weitere Artikel dieser Ausgabe