Bakschisch aus Baku

Schon zwei CDU-Abgeordnete sind für ihre bezahlte Lobbyarbeit für das Land zurückgetreten. Was ist eigentlich in Aserbaidschan los? Ein Lagebericht

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PICTURE ALLIANCE/NURPHOTO
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Bakschisch aus Baku

Schon zwei CDU-Abgeordnete sind für ihre bezahlte Lobbyarbeit für das Land zurückgetreten. Was ist eigentlich in Aserbaidschan los? Ein Lagebericht

Mit zehn Millionen Einwohnern ist Aserbaidschan der bevölkerungsreichste und auch der wirtschaftlich stärkste Staat im postsowjetischen Südkaukasus. Er wird von der Familiendynastie Alijew beherrscht und definiert sich selbst als modern, säkular und außenpolitisch stabil. Seit 1994 der „Vertrag des Jahrhunderts“ zwischen Aserbaidschan und 12 großen Ölgesellschaften unterzeichnet wurde, strebt das postsowjetische Land am Kaspischen Meer enge Beziehungen zu westlichen Ländern, vor allem den USA, den EU-Staaten und Israel an.

Die außenpolitische Orientierung Aserbaidschans ist dennoch komplex. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Westen schließt für Baku gute Beziehungen zum Kreml nicht aus. Anders als Belarus, Russland oder Armenien kritisiert Aserbaidschan die westliche Politik selten, und im Unterschied zu Georgien und der Ukraine strebt das Land keine Aufnahme in die Nato oder die EU an.

Im Vordergrund der Zusammenarbeit zwischen Aserbaidschan und der EU stehen energiepolitische Ziele. Innenpolitisch erinnert das aserbaidschanische Regierungssystem, das als eine voll ausgebildete Autokratie bezeichnet werden kann, stark an jenes aus den Sowjetzeiten. Es lässt wenig Raum für gesellschaftliche Reformen im Bereich von Menschenrechten, Rechtstaatlichkeit, Pluralität und Gendergleichheit. Im Jahr 2020 nimmt Aserbaidschan nach dem Democracy Index des Economist Platz 146 von 167 untersuchten Staaten ein.

Nicht zuletzt aufgrund seiner Energieressourcen und der wichtigen geostrategischen Lage als Bindeglied zu Zentralasien (über das Kaspische Meer) und dem Nahen Osten (über die gemeinsame Grenze mit dem Iran) ist die Außenpolitik im Interesse vieler Seiten, sei es Russland oder der Westen. Baku ist kein Mitglied der eurasischen Freihandelszone und setzt die Politik der „Energiealternative“ zu Russland in enger Kooperation mit der Türkei um. Aserbaidschan und die Türkei sind nicht nur durch die Ölpipeline Baku-Tbilisi-Ceyhan und die Gaspipeline Baku-Tbilisi-Erzurum verbunden. Während des zweiten Karabach-Kriegs im vergangenen Jahr unterstützte die Türkei Aserbaidschan auch militärisch.

Auch für Baku liegen die Vorteile der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Westen auf der Hand. Erstens minimiert sie die westliche Kritik an der innenpolitischen Entwicklung des Landes – insbesondere die Machtübergabe vom Vater an den Sohn und die Dominanz der Familien-Dynastie Alijew. Die im April 2018 vorgezogene Wahl sowie die Verfassungsänderungen wurden in der internationalen Presse kaum erörtert. Wenn die USA Aserbaidschan für Abweichungen vom demokratischen Kanon kritisieren, so tun sie dies selten öffentlich. Aserbaidschan wiederum versucht die Unterstützung bestimmter westlicher Kreise zu gewinnen, um ein Gegengewicht zur Arbeit der armenischen Lobby in den USA und Europa zu bilden.

Baku ist bestrebt, in der Liga globaler Mächte und regionaler Kulturmetropolen mitzuspielen. Um das Image des aserbaidschanischen Staates global aufzubessern, investiert die Regierung viel Energie und Finanzmittel in aufwendige internationale Großveranstaltungen. Die Hauptstadt Baku, vermarktet als das „Dubai des Kaspischen Meeres“, dient dabei als Bühne für Mega-Events im Bereich Sport und Kultur.

Tatsächlich verfolgt Baku damit gleichzeitig zwei geopolitische Orientierungen, eine in Richtung Europa – beziehungsweise Westen – und eine in Richtung des Nahen und Mittleren Ostens: Einerseits fanden in Baku 2012 der Eurovision Song Contest und 2015 die ersten Olympischen Europaspiele statt, andererseits wurde Baku 2009 der jährlich wandernde Titel „Hauptstadt der islamischen Kultur“ verliehen, und 2017 war die aserbaidschanische Hauptstadt der Austragungsort der Islamischen Spiele der Solidarität.

Während die Hauptstadt in einem atemberaubenden Tempo als Symbol für den Erfolg des Regimes durch Großbauten radikal umgestaltet worden ist, bleibt der Lebensstandard der Aserbaidschaner, insbesondere außerhalb der Hauptstadt, niedrig. Zwar sind einige wichtige Maßnahmen zum Abbau der alltäglichen Korruption in lokalen Behörden durchgeführt worden, die Eliten und die politische Korruption betrifft dies allerdings kaum. Und auch wenn die modernen Verschönerungsprojekte das Aussehen bestimmter Stadtteile aufgewertet haben, gingen sie oft mit Zwangsräumungen und der Verdrängung der Einwohner aus zentralen Stadtbezirken einher.

Mit wesentlichen Änderungen der innenpolitischen Lage ist momentan nicht zu rechnen. Die Corona-Pandemie, die digitale Überwachung und der Ausgang des Karabach-Krieges zu Gunsten Aserbaidschans haben die Macht des Präsidenten Ilham Alijew und seiner Ehefrau, der Vizepräsidentin Mehriban Alijewa, vielmehr stabilisiert. Dennoch, seit einigen Jahren gibt es immer wieder einzelne öffentliche Protestaktionen, so demonstrieren Feministinnen jedes Jahr am 8. März öffentlich gegen Gewalt und Unterdrückung der Frauen. Solche neuen Kräfte, die versuchen, Freiräume für die jüngere Generation zu schaffen, könnten, wenn auch nur symbolisch, zur Herausforderung für die autokratische Macht werden.

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