Langer Lauf

Kolumne | Aus dem Bannaskreis

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Langer Lauf

Kolumne | Aus dem Bannaskreis

Am Anfang war Mülheim an der Ruhr, 1994. In Bonn regierte Helmut Kohl mit der FDP. Joschka Fischer trimmte seine Partei auf SPD-Koalitionskurs. So wie Kohl mit den Grünen, wollte auch Fischer mit der CDU nichts zu tun haben. „Rot-grünes Chaos“ stand gegen „Der Alte muss weg“. Tertium non datur? Am Rande des Ruhrgebiets aber geschah Ungeheuerliches. Im Stadtrat wurde ein schwarz-grünes Bündnis geschmiedet, das erste in einer deutschen Großstadt. Hans-Georg Specht (CDU) wurde mit den Stimmen der Grünen zum Oberbürgermeister gewählt, Wilhelm Knabe mit den Stimmen der CDU zum Bürgermeister. Ausgerechnet Knabe, ein ehemaliges CDU-Mitglied, der zu den Gründungsvätern der Grünen gehörte und in Nordrhein-Westfalen Landes- und später in Bonn Bundesvorsitzender gewesen war. Das sozialdemokratische Monopol war gebrochen – in Mülheim. Fünf Jahre hielt die kommunale Absonderlichkeit durch – trotz aller Widerstände und Prognosen. Doch auch in Bonn geschah Unglaubliches. Junge Abgeordnete der CDU und der Grünen trafen sich regelmäßig im Sassella, und weil es ein Italiener war, wurde der Name Pizza-Connection erfunden. Was auffiel: Die meisten CDU-Wortführer der Runde stammten aus Nordrhein-Westfalen. Bundesweit machten sie später Karriere: Hermann Gröhe, Armin Laschet, Ronald Pofalla, Norbert Röttgen, alle vier aus dem Rheinland. Kohl war nicht amüsiert. Fischer auch nicht. 1995 verlor die SPD an Rhein und Ruhr die absolute Mehrheit. Doch den neuen Koalitionspartner, die Grünen, behandelte sie weiter von oben herab, als sei nichts geschehen.

Monopolisten neigen nun mal zur Überheblichkeit. Also kam es noch während der rot-grünen Bundesregierung in Duisburg, Essen und Köln zu schwarz-grünen kommunalen Bündnissen. Es folgten Aachen, Bonn, Wuppertal und Dortmund. Jetzt wurden die Grünen – trotz Corona und nach zwischenzeitlichem Umfragetief – zum Machtfaktor. In Köln setzten sie mit Unterstützung der CDU eine Parteilose als Oberbürgermeisterin durch. In Aachen und Bonn nahmen sie dank der SPD der CDU den Chefsessel im Rathaus ab. In Wuppertal wurde mit Hilfe der CDU ein Grüner und in Mülheim an der Ruhr mit grüner Unterstützung ein CDU-Mitglied zum Oberbürgermeister gewählt. Zweimal wurde das größte deutsche Bundesland schwarz-grün eingefärbt: voriges Jahr bei der Europawahl und nun auch bei den Kommunalwahlen. Das Fundament für die Bundestagswahl ist gelegt.

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