Space Force

Kolumne | Auf den Zweiten Blick

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Space Force

Kolumne | Auf den Zweiten Blick

Was unterscheidet die private Raumfahrt von einem Wolf? Diese Frage wäre tatsächlich mehr als unsinnig, gäbe es nicht den inzwischen ausgehandelten Koalitionsvertrag, der mit „Mehr Fortschritt wagen“ überschrieben ist. Nun ist in diesem vermeintlichen Fortschrittspapier dem in deutschen Wäldern wieder heimisch gewordenen Wolf tatsächlich ein eigener Absatz von immerhin gut sechs Zeilen gewidmet. Das Hightech-Feld Raumfahrt hingegen wird in der zusammengefassten Rubrik Luft- und Raumfahrt mit gerade einmal gut drei Zeilen bedacht, die auch noch mit dem negativ konnotierten Begriff des Weltraumschrotts enden.

Würde man die Fortschrittsneigung der neuen Koalition nur an dieser Relation festmachen (was zugegebenermaßen ein bisschen unfair ist), dann wäre es mit dem Innovationsstandort Deutschland wider allen politischen Beteuerungen nicht weit her. Im Gegenteil: Die Wölfe stünden ihm näher.

Beispielhaft sei an dieser Stelle auf eine hochspannende Entwicklung hierzulande verwiesen, die vielen Politikern bisher entgeht. Es gibt ein paar Unternehmen, die wir gemeinhin als Start-ups bezeichnen, die kleine Trägerraketen bauen. Das sind Geschosse, die kleinste Satelliten in den Weltraum transportieren können, also Satelliten in Handy- bis Koffergröße, die auf Dauer keinen Weltraumschrott verursachen, weil sie beim Absturz komplett verglühen. Die aber höchst brauchbar sind, um im Orbit Satellitenkonstellationen zu etablieren, die das Internet bis in den letzten Winkel des Erdballs bringen. Es gibt ferner in Deutschland nicht nur Unternehmen, die genau diese Satelliten bauen, sondern auch solche, die Satelliten vernetzen können, weil sie die Laserkommunikation für solche Konstellationen im Weltraum anbieten. Will sagen: In der privaten Raumfahrt ist hierzulande jenseits breiter Wahrnehmung ein hochinnovatives Cluster entstanden, das Weltspitze ist. Nur, viele dieser Unternehmen sind nicht auf dem Radar der deutschen Politik, sondern auf dem der amerikanischen Konkurrenz, vor allem der Investoren.

Denken wir weiter: Nun wäre es für Deutschland schon geopolitisch nicht ganz unbedeutend, endlich über eine eigene Satelliten­konstellation im All zu verfügen. Denn sie ist die Voraussetzung dafür, Internet endlich flächendeckend anzubieten. Das Internet wiederum ist der Dreh- und Angelpunkt des Fortschritts. Ohne das Internet ergibt Digitalisierung keinen Sinn. Sollen wir uns hierzulande also wirklich prioritär um die Wölfe kümmern, um uns zum Beispiel in Sachen Internetabdeckung alsbald auf die großen amerikanischen Konzerne oder am Ende gar auf die chinesischen Anbieter zur verlassen, die dabei sind, den Weltraum für sich zu erobern?

Der Wolf und die Raumfahrt – fassen wir also zusammen: Spiegelte sich im künftigen Regierungshandeln der Koalitionäre die Gewichtung der Themen im Koalitionsvertrag, dann kehrten noch mehr Wölfe in die Wälder zurück. Die Hightech-Pioniere aber würden Deutschland verlassen – wahrscheinlich Richtung Westen, wo sie schon allein aus Finanzierungsgründen bessere Chancen sehen. Ob wir das wirklich wollen? Hoffentlich nicht.

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