Zum nachhaltigen Frieden

Von der Verteidigung des Landes bis zur vollständigen Integration in das euro-atlantische System – Erfolgsgeschichte Kroatiens

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CHRISTIAN KRUPPA
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CHRISTIAN KRUPPA

Zum nachhaltigen Frieden

Von der Verteidigung des Landes bis zur vollständigen Integration in das euro-atlantische System – Erfolgsgeschichte Kroatiens

Von Gordan Bakota, Botschafter der Republik Kroatien


Zum Gedenken an die erfolgreich durchgeführte Groβoffensive der kroatischen Armee- und Polizeieinheiten, die Operation „Sturm“, feiert die Republik Kroatien am 5. August den Tag des Sieges, der heimatlichen Dankbarkeit und der kroatischen Verteidiger. In der heutigen Zeit, in der wir eben Zeugen einer sich verändernden Sicherheitslage in Europa sind, rückt die Bedeutung dieser Operation, die 1995 zur strategischen Wende im Sicherheitsumfeld Europas beitrug, umso mehr in den Vordergrund.

Bilder aus der Ukraine wecken seit Monaten Erinnerungen an den kroatischen Unabhängigkeitskrieg – den ersten brutalen Krieg in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Parallelen zu den heutigen Ereignissen sind doch offensichtlich: Wir sehen fast die gleichen Muster von Aggression, Spezialkriegsführung und Propagandaaktionen, die wir in den 1990er-Jahren zunächst in Kroatien und dann auch im benachbarten Bosnien und Herzegowina erlebten.

Gestern Vukovar, Škabrnja und Srebrenica, heute Mariupol, Irpin und Bucha – mit den gleichen Plänen und Strategien der Aggressoren, schweren menschlichen Schicksalen und fast unvorstellbarem Leid als Folge von Eroberungsideologien der Initiatoren der Aggression.

In den Kriegsjahren damals versorgte Kroatien fast eine Million Flüchtlinge (davon mehrere Hunderttausend aus Bosnien und Herzegowina) – ähnlich wie heute die Bundesrepublik Deutschland, die rund 900 000 Flüchtlinge aus der Ukraine versorgt. Solidarität mit den Opfern des Krieges war für Zagreb und Berlin schon immer wichtig.

Im Sommer 1995, vier Jahre nach Beginn der großserbischen Aggression, die vom Regime von Slobodan Milošević geplant und durchgeführt wurde, gingen die Bilder der angegriffenen Städte und des schweren menschlichen Leidens bereits vielfach um die Welt, und es herrschte große Ungewissheit hinsichtlich der weiteren möglichen Entwicklung der Ereignisse – sowohl in Kroatien als auch in Bosnien und Herzegowina, insbesondere nach dem Massaker von Srebrenica, das im Juli desselben Jahres begangen wurde.

Unter solchen Umständen, nach mehreren erfolglosen Versuchen zur friedlichen Wiedereingliederung des besetzten kroatischen Territoriums führte die kroatische Armee im August 1995 die Operation „Sturm“ durch, dank welcher ein bedeutender Teil des kroatischen Territoriums befreit wurde. Durch diesen militärischen Erfolg wurden zugleich die Voraussetzungen für die friedliche Wiedereingliederung des kroatischen Donaugebiets als noch besetzten Teil des kroatischen Territoriums geschaffen. Die UNTAES-Friedensmission, in deren Rahmen die territoriale Integrität Kroatiens im Jahr 1998 wiederhergestellt wurde, gilt als eine der erfolgreichsten Friedensmissionen der UNO überhaupt.

Darüber hinaus wurde mit den gemeinsamen Aktionen der kroatischen und bosnisch-herzegowinischen Streitkräfte auf dem Gebiet von Bosnien und Herzegowina zunächst die mehrjährige Belagerung der Stadt Bihać durchbrochen, der das Schicksal von Srebrenica drohte, und dann ein bedeutender Teil des Territoriums von Bosnien und Herzegowina befreit. Durch diese Aktionen der kroatischen und bosnisch-herzegowinischen Streitkräfte wurden entscheidende Voraussetzungen für die Unterzeichnung des Abkommens von Dayton/Paris geschaffen, das Bosnien und Herzegowina den Frieden, aber auch einen nachhaltigen Verfassungsrahmen für das Zusammenleben der drei konstitutiven Völker und aller Bürgerinnen und Bürger brachte. Leider sind wir heute auch gelegentlich Zeugen gewisser revisionistischer Versuche, die diese Tatsachen in Frage stellen.

Kroatien gilt mit seinen spezifischen Erfahrungen als Beispiel für einen gelungenen Übergang eines Staates, der vom Opfer eines Angriffskrieges in relativ kurzer Zeit durch Reformen zum Mitgliedstaat der EU und der Nato wurde und demnächst auch der Eurozone und dem Schengen-Raum beitreten wird. Fortschritte auf dem Weg zur europäischen Integration wünscht sich Kroatien auch für die Länder des Westbalkans. Die kroatische Erfahrung könnte für die Ukraine von besonderem Interesse sein – als gelungenes Vorbild auf dem Weg von der Landesverteidigung zur europäischen Perspektive, die Kroatien stark unterstützt.

In Zeiten der Ungewissheit liegt es an uns, solidarisch zu handeln, um grundlegende Werte der internationalen Ordnung zu schützen: die Förderung und Achtung der Souveränität und territorialen Integrität, mit nachhaltigem Frieden als ultimativem Ziel. Genau deshalb gedenken wir dieser Tage besonders der Bedeutung der Befreiungsoperation „Sturm“ und sind uns völlig der Rolle bewusst, die sie bei unserer Verteidigung der erwähnten Werte spielte.

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