Affig

Kolumne | Auf den Zweiten Blick

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Affig

Kolumne | Auf den Zweiten Blick

Affen sind nicht unbedingt schöne, aber hochinteressante Tiere. Was allerdings derart viele Menschen ausgerechnet an gelangweilten Affen (Bored Apes) so sehr fasziniert, dass sie dafür sechsstellige Summen bezahlen, würde man schon gerne wissen. Immerhin geht es dort nicht um Lebewesen, sondern um NFTs, Non Fungible Tokens, zu Deutsch „nicht austauschbare Tokens“, worunter im gemeinen Sprachgebrauch digitale Sammelobjekte verstanden werden, die die zunehmend tech-affine Welt gerne als Kunstwerke bezeichnet. Präziser wäre es, diese Token als Zertifikate zu beschrieben, die Eigentumsrechte an bestimmten digitalen Objekten „verbriefen“: an Profil-Karikaturen gelangweilter Affen zum Beispiel. Binnen kürzester Zeit ist für diese Sammelobjekte ein großer Markt entstanden, der bereits Millionäre hervorgebracht und im Fall der Affen alles hat, was einen Hype ausmacht: die Plattformen, ein innovatives Merchandising einschließlich exklusiver Club-Mitgliedschaft, Fachleute, die die vermeintlich überfällige Disruption des Kunstmarktes bejubeln, und vor allem rasant steigende Preise. Für die Affen etwa wurde Anfang der Woche eine Preisuntergrenze von 149,5 Ether ermittelt, derzeit gut 420 000 Dollar.

Die Erfindung dieses Marktes stammt, wie sollte es anders sein, aus den Vereinigten Staaten, wo Geld für jede Merkwürdigkeit zu haben ist, solange sich daraus nur noch mehr Geld machen lässt. Verwunderlich ist allerdings die Konstruktion, die wohl nur von Digital Natives verstanden und geschätzt werden kann. Der Käufer sichert sich mit seiner Investition lediglich das Eigentumsrecht an dem virtuellen Kunstwerk, das er dann auf dem Handy immer bei sich tragen kann. Exklusivität als Betrachter genießt er indes nicht. Denn das Opus kann als JPEG auch von anderen heruntergeladen werden. Womit sich die Frage stellt, warum Menschen gleichwohl bereit sind, dafür immer mehr Geld auszugeben.

Dabei kommt entweder die verständliche Lust an der Spekulation ins Spiel oder die Psychologie des Besitzens. Dass einem etwas gehört, ist für viele Menschen wichtig. Dass sich mit Besitztum darüber hinaus die Ostentation des eigenen Wohlstands verbindet, die unter dem Deckmantel der Kunst oder Liebhaberei nicht einmal anstößig ist, mag ebenso eine Rolle spielen. Verhaltensökomisch betrachtet steigert die Inbesitznahme eines Objekts dessen Wert für den Besitzer, ein Phänomen, das der amerikanische Ökonom Richard Thaler einst als „Endowment-Effekt“ erforschte. Psychologen wissen: Binnen Sekunden entwickelt der Käufer zu dem erstandenen Gut eine emotionale Bindung. Neurowissenschaftler würden in dem Fall von einem Dopamin-Bad sprechen, in das das Gehirn im Moment des Erwerbs getaucht wird und den frisch gebackenen NTF-Eigentümer die Downside der ganzen Sache schnell vergessen lässt: die nämlich, dass er aus Gründen der Verlustaversion den Wert seiner Objekte überschätzt. Und dass er deshalb in der Regel länger an ihnen festhält als sinnvoll. Im Falle der Bored Apes könnte sich das Glück also bald ins Gegenteil verkehren, wenn einem das Tier so sehr ans Herz wächst, dass man das Momentum verpasst, aus dem Markt auszusteigen, weil entweder die Krypto-Währung Ether, mit der man bezahlt hat, oder gar der Affe plötzlich wieder aus der Mode sind.

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