Handreichungen

Postskriptum

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Handreichungen

Postskriptum

Keine Frage, kontroverse Debatten gehören zur Demokratie und sind, unter Einhaltung einiger gar nicht so komplizierter wohlwollender Übereinkünfte, beinahe immer gewinnbringend und intellektuell anregend.

In diesen Tagen des Krieges in der Ukraine und der unvermeidlich schwierigen Suche der Bundesregierung nach einer politischen Linie melden sich, unter anderem, philosophische Dickschiffe, Unterhaltungsschriftstellerinnen, Comedians und Verbandspräsidenten zu Wort, wogegen selbstverständlich nichts einzuwenden ist. Zugangsbeschränkungen soll und kann es nicht geben, Studienaufenthalte am Nato Defense College in Rom etwa sind keine Voraussetzung. Forderungen nach Ausschluss sollten gegen die Antragsteller gelesen werden. Wer ein abseitiges oder kenntnisfreies Argument vorträgt, kann schließlich umso leichter widerlegt werden. Zugleich wäre es aber ungleich interessanter, nicht den schwächsten, sondern den stärksten Gedanken seines Kontrahenten auszuwählen – und sich an diesem geistig zu verlustieren. Maximalpositionen lösen offensichtlich einen unwiderstehlichen Jagdinstinkt aus, die diskursive leichte Beute ist allerdings sachlich zumeist nur öde.

44 Billionen Dollar hat Elon Musk gerade für Twitter bezahlt, was einen zu dunklem Pessimismus über den Zustand der Welt veranlassen sollte. Der Kanal bringt – Ausnahmen gibt es immer – so ungefähr das Schlechteste im Menschen hervor, für die Dopaminhits, die Likes und Retweets versprechen, hauen sie jeden Unsinn raus. Eine Währung im Diskurs sollten die Zahlen nicht darstellen.

Eine der schönsten Handreichungen für die öffentliche – und innere – Debatte hat Joachim Fest einst seiner unwahrscheinlichen „fernen Freundin“ Ulrike Meinhof mitgegeben. Angesichts deren Diskrepanz zwischen umsichtig-klugem Sprechen und überdrehten Texten, legte er ihr nahe, „ihre Auftrittsweisen zu wechseln: radikal und die Überlegung zur Not bis zum Bruchpunkt gedehnt im Gespräch, weil alles Reden immer experimentell sei und Grenzen erkunden wolle; und durch Vernunft gebändigt beim Schreiben, weil Gedanken, die nicht die lange Strecke des Widerspruchs durchlaufen, unberechenbar seien.“

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