Aufschrei

Kolumne | Direktnachricht

18
03
18
03

Aufschrei

Kolumne | Direktnachricht

„Transgenderism must be eradicated from public life entirely.“ Mit diesem Satz erntete der rechte Kommentator Michael Knowles kürzlich auf der CPAC, der größten politischen Konferenz sogenannter konservativer Aktivist*innen und republikanischer Politiker*innen in den USA, tosenden Applaus. Andere CPAC-Redner*innen schlugen in dieselbe Kerbe, darunter Donald Trump, der ein landesweites Verbot der Gesundheitsversorgung für trans Menschen versprach, sollte er wieder Präsident werden. Was lange eher zwischen den Zeilen und mit vorgespielter „Sorge“ für das Wohl von Kindern geäußert wurde, wird nun faktisch zu einer Forderung nach Genozid an allen trans Menschen. Im Englischen heißt es treffend: „They are saying the quiet part out loud.“ Auf der CPAC wurde die nächste Eskalationsstufe des republikanischen christlich-nationalistischen Projekts regelrecht beschrien.

Knowles war sich im Übrigen nicht zu schade, nach seiner grausamen Aussage zu behaupten, er wäre missverstanden worden, da er nur die Ausrottung von „Transgenderismus“ fordere. Diese bewusste Lüge verzerrt trans Sein als pure Weltanschauung, die man ja jederzeit ablegen könne. Statt die Existenz von trans Menschen als Fakt anzunehmen, – denn wir reden von einer Gruppe Menschen, die es gibt, seit es Menschen gibt – wird sie als gefährlicher „Trend“ verteufelt, dem heutzutage Unmengen „armer, verwirrter Leute“, speziell Kinder, anheimfallen. Währenddessen ist der Rahmen des Sagbaren, und damit auch Machbaren, längst noch weiter verschoben und das klassische Playbook der Rechten bedient worden. Fake News plus „Denkt denn niemand an die Kinder?!“ funktioniert selbst heute noch als Moral-Panic-Treibstoff, was auch außerhalb konservativer Kreise Anschluss findet (und weit über die USA hinaus geht, wie zum Beispiel die hiesige Diskussion ums Selbstbestimmungsgesetz zeigt).

Mittlerweile dokumentiert die Bürger*innenrechtsorganisation ACLU mehr als 400 queerfeindliche Gesetzesvorlagen in fast allen Staaten der USA. Nahezu täglich kommen neue hinzu und werden zunehmend beschlossen. Unter anderem wird darin trans Kindern und Erwachsenen ihre Gesundheitsversorgung verboten, Eltern sowie medizinisches Personal, die trans Kinder unterstützen, werden kriminalisiert oder Kindern wird allgemein der Zugang zu queerer Community und Inhalten beschnitten.

Studien belegen, dass trans Kinder und Jugendliche, die früh in ihrer Geschlechtsidentität bestätigt werden und eine entsprechende Gesundheitsversorgung erhalten, geradezu aufblühen und sich die sonst hohe Quote der Suizidalität extrem reduziert. Just in dem Moment unserer Weltgeschichte, wo also ein glückliches und langes Leben für immer mehr trans Personen greifbarer denn je erscheint, will der Backlash dies wieder mit aller Härte niederknüppeln, und zwar so früh wie möglich.

Wenn aber die cisnormative „Es gibt nur Mann und Frau mit ihren festen Geschlechterrollen“-Ideologie wirklich so „natürlich und angeboren“ ist, wie von ihren Fans immer vorgegeben wird, warum muss sie dann überhaupt durch ständige gesellschaftliche/staatliche Überwachung und Gewalt durchgesetzt werden?

Weitere Artikel dieser Ausgabe