Aus drei Neins wird ein neues Ja

Der jüngste israelische „Deal“ mit dem Sudan festigt die Anti-Iran-Allianz

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PICTURE-ALLIANCE/REUTERS
Südsudanesen steigen aus einem Flugzeug aus Israel aus, das am Flughafen in Juba ankam.
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Südsudanesen steigen aus einem Flugzeug aus Israel aus, das am Flughafen in Juba ankam.

Aus drei Neins wird ein neues Ja

Der jüngste israelische „Deal“ mit dem Sudan festigt die Anti-Iran-Allianz

Nach den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain nun also der Sudan. Die Liste der muslimischen Länder, die heute auf einmal bereit sind, offizielle Beziehungen zu Israel aufzunehmen, wird länger. Der jüdische Staat bekommt nun noch einen weiteren Verbündeten in einem nach wie vor weitgehend feindlich gesinnten Umfeld. Über den Nachahmeffekt freuen sich besonders die Emirate, die im August als Erste diesen Schritt wagten. Dort sehnt man sich nun nach einer breiteren Legitimität für ihre Abkehr vom arabischen Konsens, der Frieden mit Israel stets an eine Lösung der Palästnenserfrage knüpfte.

Die Normalisierung der Beziehungen zum Sudan ist vom israelischen Durchschnittsbürger wohlwollend aufgenommen worden, auch wenn die Menschen dort gerade mehr mit Überlebens- und Durchhaltesstrategien nach dem zweiten Corona-Lockdown beschäftigt sind. Und die neue Allianz wird für sie nicht viel ändern. Darfur ist längst nicht so attraktiv wie Dubai, auch steht so bald wohl kaum ein blühender Handel mit dem gerade erst dem Bürgerkrieg entronnenen Land am Horn von Afrika in Aussicht. Immerhin verkürzt die Annäherung die Flugzeiten von Tel Aviv nach Südamerika und Südafrika, weil israelische Maschinen keine langen Umwege mehr nehmen müssen.

Der jüngste vom Weißen Haus vermittelte Deal enthält zudem eine nicht zu unterschätzende symbolische Komponente, die unweigerlich mit dem Namen der sudanesischen Hauptstadt verbunden ist. Nach dem Sechs-Tage-Krieg im Juni 1967 kam es zwei Monate später zur Versammlung der Arabischen Liga in Khartum. Deren berühmte drei Neins sind längst in die Nahost-Geschichte eingegangen: „Nein zu einem Frieden mit Israel, Nein zu einer Anerkennung Israels und Nein zu Verhandlungen mit Israel.“

Dass die anstehenden amerikanischen Wahlen das Timing für die offizielle Kehrtwende diktiert haben, ist allen klar. Die Annäherung der beiden Länder aber hat sich schon länger abgezeichnet. Im vergangenen Februar etwa hatte sich Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu in Uganda heimlich mit dem Chef des sudanesischen Übergangsrats Abdel Fattah Burhan getroffen. Dieser hatte nach der Entmachtung des Diktators Omar al-Baschir die Regierungsführung übernommen und will das Land auf einen neuen Kurs bringen. Dazu gehört die Öffnung gegenüber Washington.

Die diplomatische Aufwertung Israels ist Teil eines größeren Pakets. So wurde der Sudan jetzt von der US-Sanktionsliste jener Staaten, die Terror unterstützen, gestrichen. Im Gegenzug hatte sich Khartum bereit erklärt, amerikanische Terror-Opfer des Doppelanschlags auf die US-Botschaften in Nairobi und Daressalam 1998 zu entschädigen. Die Verbindung führt zu Osama Bin Laden, der jahrlang – geduldet von der Regierung – im Sudan lebte und dessen Al-Qaida-Gruppe sich zu den Taten bekannt hatte.

Premier Netanyahu sprach in diesem Zusammenhang von einer „riesigen Veränderung“. Bis vor wenigen Jahren sei der Sudan noch ein feindliches Land gewesen. Er habe mit dem Iran kooperiert, etwa bei Waffenlieferungen an die Hizbollah im Libanon und die im Gazastreifen herrschende Hamas. Seine Lage am Roten Meer machte das Land zu einem idealen Durchlauf-Standort. Um derlei Transporte zu unterbinden, hatte Israel den Sudan in der Verhangenheit mehrfach militärisch angegriffen. Das neue Abkommen soll nun sogar eine bessere Überwachung der ansässigen Islamisten durch sudanesische Sicherheitskräfte mit einschließen.

Kein Wunder, dass dies der Iran gar nicht gut findet und den gesamten Deal als „erkauften Schwindel“ bezeichnet. Denn der Sudan hat damit engültig den Seitenwechsel vollzogen, indem er sich jetzt offen zur Anti-Teheran-Allianz an der Seite Israels und arabischer sunnitischer Staaten bekennt. Den Kurs hatte das afrikanische Land bereits 2015 eingeschlagen, als es im Jemenkrieg nicht mehr länger zu seinem langjährigen Verbündeten Iran stand und sich stattdessen für die Unterstützung des saudischen Lagers entschied.

Demnächst wollen nun israelische und sudanesische Delegationen gemeinsam über eine bilaterale Kooperation beraten. Dabei wird es um Agrar-Technologien, um Entsalzungsanlagen und Handel gehen, aber auch um Migranten. Die sudanesische Regierung hat sich bereit erklärt, über die Rücknahme von tausenden von Flüchtlingen zu verhandeln, die vor Jahren auf illegale Weise nach Israel gekommen sind, um dort Asyl zu beantragen. In diesen Kreisen herrscht nun zwar durchaus Freude über die Normalisierung der Beziehungen, aber auch die Sorge, dass die Bedingungen in der Heimat sich noch nicht so weit stabilisiert haben, um die eigene Sicherheit zu garantieren. Für Netanyahu wäre die Rückkehr von sudanesischen Migranten ein innenpolitischer Erfolg.

Mit der Annäherung an den Sudan versucht er jetzt aber, vor allem außenpolitisch zu punkten. Für den Regierungschef unter Anklage, gegen den mittlerweile fast täglich im Land demonstriert wird, ist alles gut, was ihn als Staatsmann erscheinen lässt, der es mit den Mächtigen in der Welt aufnehmen kann. Dazu gehört an erster Stelle Donald Trump. Doch brachte sich nun auch Netanyahu schon einmal vorsichtshalber in Stellung für den Fall, dass der amerikanische Präsident nächste Woche nicht wiedergewählt wird. Dieser wollte das Abkommen zwischen Israel und Sudan nutzen, um seinen Herausforderer Joe Biden lächerlich zu machen. „Glaubst du, Bibi, dass der schläfrige Joe diesen Deal hinbekommen hätte?“, hatte sich Trump in einem live übertragenen Telefongespräch an Netanyahu gewandt. Worauf Bibi diplomatisch antwortete: Man wisse Trumps Anstrengungen enorm zu würdigen und schätze die Hilfe für Frieden „von jedem in Amerika“.

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