Echte feministische Außenpolitik

Was Atomwaffensperrverträge mit Frauenrechten zu tun haben

04
03
PICTURE ALLIANCE/REUTERS | ANDREW KELLY
Zur Sache: Bonnie D. Jenkins, Unterstaatssekretärin für Rüstungskontrolle und internationale Sicherheit im UN-Sicherheitsrat in New York im vergangenen Jahr
04
03
PICTURE ALLIANCE/REUTERS | ANDREW KELLY
Zur Sache: Bonnie D. Jenkins, Unterstaatssekretärin für Rüstungskontrolle und internationale Sicherheit im UN-Sicherheitsrat in New York im vergangenen Jahr

Echte feministische Außenpolitik

Was Atomwaffensperrverträge mit Frauenrechten zu tun haben

Viele Menschen stellen sich vermutlich die Frage, warum die Zunahme von Anti-Gender- und Anti-Demokratie-Bewegungen in meinen Aufgabenbereich der Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen, Abrüstung und Rüstungskontrolle fällt. Dazu möchte ich sagen, dass Gender und Demokratie nicht nur wichtige Aspekte meiner Arbeit darstellen, sondern unerlässlich sind, wenn wir eine umfassende, stabile und nachhaltige Sicherheitsstruktur aufbauen möchten.

Im Verlauf der neueren Geschichte sind wir Zeugen einer beunruhigenden weltweiten Zunahme von antidemokratischen Tendenzen geworden, die durch Konflikte und Krisen aufgrund von beispielsweise Nahrungs-, Wasser- und Klimainstabilität weiter verschärft wurden. Menschen, die in antidemokratischen Gesellschaften leben und denen es an lebenswichtigen Dingen fehlt, wenden sich mit der Forderung nach Hilfe und Unterstützung an ihre Regierungen. Doch diese Hilfe wird ihnen aufgrund von Diskriminierung und staatlichen Einschränkungen hinsichtlich der Wahrnehmung von Menschenrechten aufgrund ihrer Rasse, Religion, ethnischer Zugehörigkeit und anderen Merkmalen verwehrt.

Quellen wie das Büro der Vereinten Nationen für Abrüstungsfragen, UN Women sowie das Center for Feminist Foreign Policy (CFFP) bestätigen, dass eine Zunahme antidemokratischer Tendenzen präventiv erkannt werden kann, wenn die Wahrnehmung der Rechte jener, die am stärksten marginalisiert werden, eingeschränkt wird. In vielen Fällen handelt es sich bei diesen marginalisierten Gruppen um bestimmte Ethnien, religiöse Minderheiten sowie Frauen, Mädchen und gender-diverse Personen aus allen Teilen der Bevölkerung. Wissenschaftliche Untersuchungen legen nahe, dass die eingeschränkte Wahrnehmung der Rechte von Frauen und gender-diversen Personen innerhalb einer Gesellschaft die Entwicklung von antidemokratischen und pro-autoritären Regimen verstärken kann.

Die Auswirkungen solcher Maßnahmen reichen weit über die Einschränkung der Rechte von Frauen hinaus. Sie tragen auch dazu bei, demokratische Strukturen zu untergraben, die Gleichstellungspolitik zu delegitimieren, den Schutz der Menschenrechte zu schwächen, Rechenschaftsmechanismen auszuhöhlen und die Wirksamkeit militärischer und demokratischer Schutzmechanismen zu verringern. Je instabiler diese demokratischen Strukturen werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für eine Eskalation von Gewalt, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, den Einsatz von chemischen und biologischen Waffen und eine Aushöhlung von Verifizierungs- und Konformitätsprozessen.

Eine wissenschaftliche Studie der Universität Stockholm aus dem Jahr 2020 zeigt: Je positiver militärische Stärke, Maskulinität und der Besitz nuklearer Waffen assoziiert sind, desto ausgeprägter sind die Indikatoren für einen gezielten Fokus auf die Verbreitung von Kernwaffen. Die Autorin der Studie, Emma Rosengren, untersuchte die Abrüstungspolitik Schwedens in den 1960er-Jahren vor dem Atomwaffensperrvertrag und stellte fest, dass Fachleute und politische Entscheidungsträger Vorurteile, die zu verzerrten Schlussfolgerungen in Bezug auf wirksame Strategien für eine Nichtverbreitung von Kernwaffen führen können, in ihren Entscheidungsprozessen besser einschätzen und berücksichtigen konnten, sobald Gender Bias als Faktor in der Atompolitik erkannt wurde. Das führte dazu, dass die Einflüsse von Gender und Identität offen anerkannt wurden, was wiederum Schweden dazu veranlasste, den Weg in Richtung Nichtverbreitung und Abrüstung einzuschlagen, als das Land vor der Entscheidung stand, eine Atommacht zu werden.

Ich nutze dieses Beispiel, um zu unterstreichen, wie wichtig es ist, die unterschiedlichen Verzerrungseffekte zu verstehen – also nicht nur geschlechtsbezogene Verzerrungen, sondern auch solche auf der Grundlage von Rasse, Religion, sexueller Orientierung oder Identität – die tief in unserer Politikgestaltung verwurzelt sind, und zu erkennen, wie wir ihnen entgegenwirken können. Das ist ein Grund, warum die Agenda Women, Peace and Security („Frauen, Frieden und Sicherheit“) so wichtig ist: Eine größere Teilhabe von Frauen an allen Aspekten und auf allen Ebenen der Entscheidungsfindung wird unvermeidlich zu mehr Diversität der Stimmen und Perspektiven führen, von denen der Dialog profitieren und die es uns ermöglichen wird, bessere Lösungen zu entwickeln.

Am wichtigsten jedoch ist, dass das unermüdliche Engagement jener Mitglieder der Zivilgesellschaft nicht übersehen wird, die entschlossen evidenzbasierte Methoden einsetzen. Der Einsatz und die Stimmen aller, von Jugendaktivisten über Journalistinnen, die unter Einsatz ihres Lebens und ihrer Freiheit über diese Themen berichten, bis hin zu jenen, die in den Basisbewegungen vor Ort tätig sind, sollten anerkannt und gehört werden.

Um Frieden und Sicherheit zu erreichen, reicht es nicht aus, bei Wahlen abzustimmen oder sich eine Meinung zu bilden, sondern wir müssen die Interessen, das Wissen und die Erfahrungen aller nutzen, um nachhaltige Lösungen und Politik zu gestalten. Menschen unterschiedlicher Geschlechter und Identitäten haben unabhängig von ihrem Herkunftsland, ihrer Religion oder ihrer ethnischen Zugehörigkeit einen ganz unterschiedlichen Blick auf dieselben Fragestellungen. Der einzige Weg zu nachhaltigem Frieden und langfristiger Sicherheit für alle ist eine aktive und bedeutsame Teilhabe aller.

Weitere Artikel dieser Ausgabe