Geschacher

Kolumne | Aus dem Bannaskreis

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Geschacher

Kolumne | Aus dem Bannaskreis

Ein entscheidender Schritt Angela Merkels zur Kanzlerschaft war es, dass sie sich 2005 zwei Tage nach der Bundestagswahl im Amt der Vorsitzenden ihrer Fraktion bestätigen ließ. Merkel wurde gestärkt – trotz des für die Union enttäuschenden Abschneidens von 35,2 Prozent. Die neue Fraktion sprach ihr mit 98 Prozent das Vertrauen aus. Eine Personaldebatte wurde verhindert. Vorbild für Olaf Scholz und Armin Laschet, die heute Abend mit dem Votum der Wähler konfrontiert werden? Der Vorsitz einer potentiellen Regierungsfraktion ist eine mächtige Position. Der Amtsinhaber nimmt maßgeblich an den Koalitionsverhandlungen teil. Gegen ihn läuft nichts.

Vor allem für Laschet ist es ein Problem. Ralph Brinkhaus, der derzeitige CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende, möchte weiter amtieren. Ob Laschet den Willen und die Kraft hat, sich durchzusetzen? Für Scholz ist die Lage etwas einfacher. Rolf Mützenich scheint nicht partout SPD-Fraktionschef bleiben zu wollen. Scholz ist darauf angewiesen, dass an dieser Schaltstelle der Macht ein Mensch seines Vertrauens sitzt, Arbeitsminister Hubertus Heil etwa oder Carsten Schneider, bisher Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion, und nicht etwa ein Vertreter des linken SPD-Flügels, der in Koalitionsverhandlungen einen anderen Kurs verfolgt als der Kanzlerkandidat.

26. September, 26. Oktober

Auch Annalena Baerbock und Robert Habeck stehen vor der Entscheidung: Wollen sie sich auf ein Ministeramt kaprizieren? Oder würden sie auch die Führung der – dann wohl größten – Oppositionsfraktion übernehmen?

Ebenfalls noch vor Bildung der neuen Regierung ist der Bundestagspräsident zu wählen. Das Amt steht der größten Bundestagsfraktion zu. Es zu besetzen, fiele der Union leicht: Wolfgang Schäuble könnte im Amt bleiben. Falls er altersbedingt verzichten möchte, käme Kulturstaatsministerin Monika Grütters in Betracht, die schon vor vier Jahren im Gespräch war. Eher aber hat sich die SPD zu entscheiden. Mützenich könnte es werden. Als Frau kommt Aydan Özoguz aus Hamburg in Frage, früher stellvertretende SPD-Vorsitzende und Integrationsstaatsministerin im Kanzleramt Merkels. Schäuble und seine Vorgänger – Rita Süßmuth (CDU), Wolfgang Thierse (SPD) und Norbert Lammert (CDU) – waren herausragende Repräsentanten des Parlaments, unabhängig von der eigenen Partei und auch der Regierung. In der konstituierenden Sitzung des Bundestages steht die Wahl an – spätestens am 26. Oktober.

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