Gesundes Neues!

Kolumne | Auf den Zweiten Blick

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Gesundes Neues!

Kolumne | Auf den Zweiten Blick

Was hat das World Economic Forum (WEF) in Davos, das in den kommenden fünf Tagen wieder einen konstanten Nachrichtenstrom produzieren wird, mit dem amerikanischen Bundesstaat Kalifornien zu tun?

Um die Frage zu beantworten, lohnt es sich, genauer hinzuschauen und beherzt zu kombinieren. In Kalifornien ist mit Beginn dieses Jahres ein interessantes Gesetz in Kraft getreten, das der sogenannten Pink Tax entgegenwirken soll. Darunter versteht man die geschlechter­spezifischen Preisunterschiede für an sich gleichwertige Produkte, für die Frauen deutlich mehr bezahlen müssen als Männer. Wider allen Beteuerungen der Industrie steht dahinter ausschließlich ein geschäftliches Interesse. Das Phänomen betrifft nicht nur Kosmetika, Friseurdienstleistungen oder Kleidung, sondern noch vieles mehr. Weil die Preisaufschläge sich in ihrer Wirkung mit einer Art Extra-Besteuerung vergleichen lassen, wird von eben jener pinkfarbenen Steuer gesprochen. In Kalifornien beträgt diese je Frau geschätzt fast 2400 Dollar im Jahr, was der Industrie jährlich 47 Milliarden Dollar an zusätzlichem Umsatz beschert.

Wie auch immer dieser Gesetzesversuch ausgeht, lenkt er den Blick auf ein Thema, dass noch längst nicht im allgemeinen Bewusstsein angekommen ist: die Steuer auf das Anderssein. Wie viel Frauen tatsächlich aufgebürdet wird, weiß so richtig niemand. Nur eines ist sicher: Die Steuer ist sehr viel höher als ein paar tausend Dollar im Jahr. Ihr Anderssein kann Frauen sogar das Leben kosten. Wie das?

Genau dort kommt Davos ins Spiel. Allerdings nicht mit dem alljährlichen Glamourzirkus, im Rahmen dessen sich Regierungs­mitglieder und CEOs weitgehend selbst bespiegeln, sondern vielmehr mit verschiedenen gesellschaftlichen Feldern, zu denen das WEF über das Jahr Expertise sammelt oder in Auftrag gibt. Für 2023 findet sich darunter ein Thema von bisher weit unterschätzter Relevanz. Es ist das der Frauengesundheit, die die Forschung jenseits der Reproduktions­medizin bisher nicht wirklich interessiert, obwohl die Hälfte der Weltbevölkerung weiblich ist. Gesichert ist, dass über alle Krankheiten hinweg Frauen deutlich später als Männer eine Diagnose erhalten. Die Medizin ist noch immer allzu männlich, der Maßstab des Gros medizinischer Studien ein Mann von 75 Kilogramm. Am Beispiel von Herzkreislauferkrankungen ist das schnell erläutert. Herzinfarkte kündigen sich bei Männern mit Schmerzen in der Brust an, bei Frauen dagegen mit weit diffuseren Symptomen. Weil man weniger darüber weiß und sie deshalb später erkennt, sterben Frauen häufiger an der Attacke.

Das Geschlecht spielt bei Erkrankungen und deren Behandlung sowie bei der Prävention eine noch viel entscheidendere Rolle als bei Kosmetika. Auf dem Feld der Gesundheit ist die Steuer auf das Anderssein deshalb auch sehr viel höher als bei den für ein paar extra Dollar rosa verpackten Cremes. Vielmehr begleichen Frauen diese ihnen auferlegte Pink Tax mit ihrem Wohlbefinden.

Nun muss das WEF dieses Thema natürlich auf die Ebene des Ökonomischen heben. Eine bessere Frauengesundheit leistet nicht nur einen erheblichen Beitrag zum Welt-Bruttosozialprodukt. Sie bietet auch hervorragende Investitionsmöglichkeiten. Mehr noch: Deren weit über das Betriebswirtschaftliche hinausgehenden Renditeeffekte sind viel ehrlicher als alles, was sich die Unternehmen bisher mit ihren Mogelpackungen ergaunern.

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