Große Bellheimer

Postskriptum

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Auch die amerikanischen Kommentatorinnen hatten ihre Mühe, einen passenden historischen Präzedenzfall zu finden, nachdem die Nachricht eingetroffen war, dass Bob Iger keine drei Jahren nach seinem Rücktritt als Chef der Walt Disney Company auf seinen alten Posten zurückkehrt. Angela Merkel wird erneut Kanzlerkandidatin der Union oder Jogi Löw kommt nach der Weltmeisterschaft wieder als Teamchef der deutschen Mannschaft zurück – so darf man sich die Wirkung der Personalie in den Kreisen der Kulturindustrie vorstellen.

Dass Disney kaum mehr etwas mit amerikanisch-kitschiger Kinderunterhaltung zu tun hat und die berühmten Freizeitparks nur noch einer von vielen Geschäftszweigen des Konzerns darstellen, ist vor allem das Verdienst Igers, der in seiner ersten fünfzehnjährigen Amtszeit mit Lucasfilm (und damit der „Star Wars“-Franchise) und Marvel (mit diversen Superhelden-Filmreihen wie „Captain America“ und „Spiderman“) wahre Gelddruckmaschinen geschaffen hat. Die Kaufpreise von jeweils vier Milliarden Dollar (auf Deutsch also mehr als 33 000 Jahre Mietkostenzuschuss) erwiesen sich schnell als ertragreiche Investitionen.

2019 startete Disney+, ein Streamingdienst, der es mit dem Marktführer Netflix aufnehmen sollte. Fernsehen à la carte via Internet, ohne Werbung, aber gegen monatliche Gebühr – alle großen Player waren sich einig, dass dies die Zukunft sei. Und investierten Unsummen, mit dem Ziel, in den streaming wars die Reichweite so zu erhöhen, dass die Konkurrenten aus den Funkdrähten gedrängt würden. Iger hatte einst den strategischen Fehler begangen und die Marvel-Sahnestücke an Netflix ausgeliehen, was, wie er selbst später sagte, „dem Verkauf von Atombombentechnologie an einen Drittweltstaat“ gleichgekommen sei.

Igers Nachfolger wurden unter anderem die hohen Kosten für jene neuen Produktionen, die einst auf der großen Leinwand liefen, zum Verhängnis. Die Fixierung auf bloße Reichweite, mithin die Aussicht, den Wettstreit demnächst, irgendwann zu gewinnen, ist bei den Investoren und Anteilseignern der Forderung nach Gewinn, und zwar sofort, gewichen.

Iger soll nun für den Großkonzern in den kommenden zwei Jahren eine Antwort auf die großen Fragen des sich rapide verändernden entertainment business finden, die nicht an runden Tischen entschieden werden.

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