Hörzu, so wird der letzte Abend sein

Postskriptum

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Hörzu, so wird der letzte Abend sein

Postskriptum

Charles de Gaulle wird nachgesagt, sich einst darüber beklagt zu haben, ein Land zu regieren, in dem es mehr Käsesorten als Tage im Jahr gebe, sei nicht so einfach.

In Deutschland bevorzugt man den Käse aus der Plastikverpackung. Zum Essen bleibt, bei all der Lektüre, ja auch weniger Zeit. Jüngst erschienen die Auflagenzahlen der 30 erfolgreichsten Zeitschriften des vergangenen Jahres. Zum auf der Zunge zergehen lassen:

Platz 29: Gong plus. 24: Funkuhr. 16: TV für mich. 15: TV Hören und Sehen. 12: auf einen blick. 11: TV Spielfilm. 10: tv pur. 8: TV Movie. 6: TV direkt. 5: Hörzu. 3: nurTV plus. 2: TV Digital. 1: tv 14. Die drei Spitzenreiter bringen es zusammen auf lockere 3 289 439 Exemplare.

Hans Magnus Enzensberger wusste natürlich schon 1970, dass „alle Klagen über das Fernsehen gegenstandslos sind“. In seinem berühmten Spiegel-Essay über das Nullmedium klagte der stets gewitzte Kulturkritiker aber dennoch lustvoll, das Fernsehen sei eigentlich ohne bedeutende Inhalte, es informiere nicht, seine Botschaften seien mehr oder minder nichtig. Die Pointe sei vielmehr psychologisch – so etwas wie ein weißes Rauschen, Hypnose, gegenstandslose Beglückung, maximal niedrigschwelliger Fun. Es solle nichts bedeuten, solle vor Bedeutung verschonen, die Unkunst für die Unkunst.

Wenn in Deutschland über die schon sprichwörtliche Spaltung der Gesellschaft gesprochen wird, werden zumeist Internet und die sogenannte sozialen Medien, wenn nicht als Ursache, dann doch als Brandbeschleuniger genannt. (Auch darüber wird gern gestritten, Social-Media-Menschen verteidigen entweder das Medium vehement, erklären, warum sie dort heroisch das Feld nicht den Bösen zu überlassen gedenken, oder schreiben kluge, aber zum Chor predigende Essays darüber, warum sie ausgestiegen sind, ihren Twitter-Account gelöscht haben, wie zuletzt Sophie Passmann in der Zeit: „Ja, ja, ich war Teil des Problems. Und jetzt versuche ich, das klingt so wahnsinnig banal, und es ist so unglaublich langweilig, es nicht mehr zu sein.“

Entsprechend der Nullmedium-Theorie kommt das Fernsehen besser weg, es ist generationenübergreifend (die Jüngeren streamen, das ist aber das Gleiche) in den deutschen Geisteshaushalt eingepreist. Tausend Krimis, Quizshows und Talkrunden, und das sind ja die edlen öffentlich-rechtlichen Sender, die selbsternannten Garanten der Demokratie, und nicht der private Dudelfunk. Ehe Markus Lanz sich in mehreren Klimadebatten zuletzt so peinlich verrannt hatte – einer Klimaaktivistin versicherte er, zur Not könne man doch einfach große Kunstwerke in die Dolomiten verfrachten, „da kommt nie irgendein Wasser hin“, also alles halb so wild –, hätte der Südtiroler wohl auch Bundespräsident in Deutschland werden können.

Aber finden sich bei Arte nicht immer wieder phantastische Dokumentationen? Klar. Etwa „Hakoah – Club der Sirenen“ über sieben jüdische Topschwimmerinnen, die 1938 vor den Nazis fliehen mussten, sich dann Jahrzehnte später wieder in ihrem Bad treffen und erzählen. Wärmstens zu empfehlen!

Schauen wir doch mal nach, was nächste Woche noch so läuft.

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