Stadt, Land, Führung im Fluss

Nach Laschet: In der CDU hat der Kampf um die Spitzenplätze begonnen

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PICTURE ALLIANCE/NURPHOTO | EMMANUELE CONTINI
Projekt 2025: Jens Spahn
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PICTURE ALLIANCE/NURPHOTO | EMMANUELE CONTINI
Projekt 2025: Jens Spahn

Stadt, Land, Führung im Fluss

Nach Laschet: In der CDU hat der Kampf um die Spitzenplätze begonnen

Es dauerte nur drei Tage, bis Jens Spahn sein Schweigen brach: „Für mich ist jedenfalls klar, dass jetzt auch die Generation nach Angela Merkel in Verantwortung kommen muss, stärker das auch sichtbar sein muss“, sagte der Bundesgesundheitsminister Spahn nach der Niederlage der Union bei der Bundestagswahl im Deutschlandfunk – und unterfütterte dies auch mit konkreten Vorstellungen: „Das sind beispielsweise unsere Ministerpräsidenten Tobias Hans, Michael Kretschmer, Daniel Günther, das sind viele in der Fraktion, die auch in der nächsten Generation mit Profil erkennbar sind und noch erkennbarer werden müssen.“ Die Union habe in dieser Generation so viele politische Talente, so viele politisch profilierte Persönlichkeiten wie keine andere Partei, betonte der 40-Jährige, der selbst auch dazu zählt: „Aber das muss jetzt auch deutlich werden. Es geht jetzt um das Projekt 2025.“

Erneuerung, aber gepaart mit einem Generationenwechsel? Während bei der Schwesterpartei CSU mit dem 54-jährigen Markus Söder als Vorsitzenden und bayerischen Ministerpräsidenten sowie dem 46-jährigen Generalsekretär Markus Blume die Spitze konstant bleiben wird, drohen der CDU nun turbulente Tage und Wochen, vielleicht auch Monate.

Nach dem schlechtesten Wahlergebnis in der Geschichte der Partei steht der Gang in die Opposition bevor. Viele Christdemokraten, so scheint es, haben aber noch immer nicht realisiert, dass sie künftig nicht mehr in Ministerien sitzen und entscheiden können und es auch nur noch wenige Posten und Positionen gibt, aus denen sich eine öffentlichkeitswirksame Wirkung entfalten lässt. Es ist zudem eine Niederlage, die mit dem Spitzenkandidaten und Parteivorsitzenden Armin Laschet stark personalisiert wird. Dabei ist Laschet selbst erst seit einem Dreivierteljahr als Parteivorsitzender im Amt. Auch seine Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer hielt sich nur knapp zwei Jahre. Wie einschneidend und existenzbedrohend die aktuelle Krise ist, zeigt der Blick in die Geschichte: Vor Laschet und Kramp-Karrenbauer hatte die CDU sieben Vorsitzende – in mehr als 75 Jahren.

Vor diesem Hintergrund wirken Spahns Worte fast noch bedächtig formuliert – was vielleicht auch daran liegen mag, dass der Münsterländer selbst Teil des Teams rund um den Kanzlerkandidaten Laschet war.

Dennoch, Laschets Tage sind gezählt, und jenseits der wichtigen Frage nach der Art und Weise, wie die CDU nun – nach den eher missglückten beiden jüngsten Versuchen – ihren Vorsitz bestimmt (Mitgliederentscheid, Parteitag mit Delegierten, vielleicht auch eine Doppelspitze), stellt sich die Frage des Personals. Spahns Hinweise auf die Bundestagsfraktion sowie die CDU-Ministerpräsidenten in den Ländern zeigen dabei die Möglichkeiten auf. Und wer erneut einen Blick in die Geschichte der CDU und ihre (wenigen) Oppositionsjahre wirft, kann vor allem zwei Situationen identifizieren, in denen sich dies genauso zeigte: Nach dem erstmalig Gang in die Opposition im Jahr 1969 war es eine Gruppe um Helmut Kohl, den „jungen Wilden“, der sich aus seiner Rolle als rheinland-pfälzischer Ministerpräsident an die Spitze der Partei und schließlich – nach über dreizehn Jahren Opposition – ins Kanzleramt kämpfte. Dessen langer Regierungszeit folgten wieder – ab 1998 – sieben Oppositionsjahre. Doch dieses Mal kam die personelle Erneuerung nicht aus den Ländern, sondern aus dem Bund und der dazugehörigen Fraktion: Angela Merkel, einst Ministerin und Bundestagsabgeordnete, wurde erst CDU-Bundes-, dann Fraktionsvorsitzende und schließlich Kanzlerin.

Es gibt also – historisch betrachtet – zwei Wege. Doch bei einem genaueren Hinschauen scheinen diese Optionen und Spahns Ausführungen etwas weniger vielversprechend, als sie eingangs klangen. Denn gerade der Blick in die Länder offenbart ungeachtet der jungen Ministerpräsidenten die schwierige Situation der CDU insgesamt: Während die SPD in sieben Ländern die Staatskanzlei hält, kommt die CDU nur noch auf sechs Ministerpräsidenten. Volker Bouffier (Hessen, 69 Jahre) und Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt, 67) kommen altersbedingt nur übergangsweise für Führungsaufgaben in Betracht. Aber gerade die für einen Generationenwechsel genannten Ministerpräsidenten Günther (Schleswig-Holstein, 48) Hans (Saarland, 43) und Kretschmer (Sachsen, 46) erfüllen zwar – altersmäßig – die Kriterien, scheiden aber aus anderen Gründen aus: Während Kretschmer in Sachsen wegen einer immer stärker werdende AfD unter Druck steht, müssen sich Günther und Hans im kommenden Superwahljahr 2022 erst einmal behaupten. Dies gilt auch für Hendrik Wüst (46), den designierten Nachfolger Laschets in Düsseldorf: Wüst steht vor der Herausforderung, erst gewählt zu werden und dann innerhalb weniger Monate einen belastbaren Amtsbonus aufzubauen, um bei der Wahl im kommenden Mai bestehen zu können. Andernfalls droht er der Ministerpräsident mit der kürzesten Amtszeit in der Landesgeschichte zu werden. Und anders als 1998, als nach der verlorenen Bundestagswahl eine Art Rebound-Effekt eintrat, die Union also vom stottrigen rot-grünen Regierungsstart profitieren konnte, deutet nun nichts auf eine solche Entwicklung hin. Eher im Gegenteil: Die alten SPD-Strukturen erscheinen durch den unverhofften Wahlerfolg bei der Bundestagswahl im neuen Licht und wie wiederbelebt.

In den Ländern stehen aus CDU-Sicht daher Behauptungskämpfe an, weniger eine (personelle) Erneuerung der Partei. Zumal auch das Beispiel Laschet gezeigt hat, welche Schwierigkeiten sich bei einem Wechsel vom Land in den Bund offenbaren. Das mediale Brennglas in der Hauptstadt scheint – vielleicht auch durch die digitale Beschleunigung der Kommunikation – noch einmal zugenommen zu haben. Die Personalie Laschet wird – historisch – wohl eher in einer Reihe mit einstigen SPD-Ministerpräsidenten wie Matthias Platzeck oder Kurt Beck stehen, die ebenfalls aus den Ländern in den Bund kamen und als Parteivorsitzende in der Hauptstadt scheiterten.

Somit deutet vieles auf die Bundestagsfraktion als Arena hin – zumal sich in einer Mediendemokratie gezeigt hat, dass es von Vorteil ist, wenn Fraktions- und Parteivorsitz in einer Hand liegen. Und es spricht einiges dafür, dass diese Persönlichkeit – nach Jahren und Jahrzehnten der Abwesenheit in Spitzenpositionen innerhalb der CDU – wieder aus dem größten Landesverband Nordrhein-Westfalen stammen wird. Friedrich Merz, Norbert Röttgen, Ralph Brinkhaus, Carsten Linnemann oder eben Jens Spahn werden nun häufig genannt – absteigend nach Alter aufgelistet. Und Spahn, dem die Frankfurter Allgemeine Zeitung vor wenigen Tagen erst wieder „Kanzlerträume“ attestierte, scheint aufgrund seiner Prominenz gepaart mit dem jungen Alter der Favorit zu sein. Dazu passen würde, dass Spahn und der designierte Ministerpräsident und Landeschef Wüst, die beide aus dem CDU-Kreisverband Borken im Münsterland stammen, bereits vor Jahrzehnten zu Zeiten der Jungen Union vereinbart haben sollen: Du machst die Landes-, ich die Bundesebene.

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