Sternenlicht

Kolumne | Direktnachricht

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DPA/APA/PICTUREDESK.COM
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Sternenlicht

Kolumne | Direktnachricht

Beschwerdeführerin, Gläubigerin, Schuldnerin. Es ist 2020, und Wörter wie diese lassen die Männer des Bundesinnenministeriums geradezu hysterisch werden. OK, Boomers! Wirklich überraschend war diese Reaktion natürlich nicht, denn jemand wie Horst Seehofer geht mit Geschlechtergerechtigkeit ebenso entspannt um wie ein Vampir mit direktem Sonnenlicht. Der „Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts“ aus dem Bundesjustizministerium ist seiner weiblichen Personenbezeichnungen inzwischen längst wieder entledigt worden. Doch zumindest hat er erreicht, dass verstärkt darüber diskutiert wird, inwieweit deutsche Gesetzestexte noch eine patriarchale Ideologie widerspiegeln.

Dabei ist dieser Vorstoß unter Ministerin Christine Lambrecht nicht einmal wirklich radikal, wenn wir bedenken, dass das Bundesverfassungsgericht die existierende Geschlechtervielfalt unserer Welt und Gesellschaft im Herbst 2017 auch endlich durch das Urteil zur „Dritten Option“ bestätigte.

Auch Gesetzestexte müssten heute insofern viel mehr geschlechterumfassend (zum Beispiel per Unterstrich oder Sternchen) oder geschlechtsneutral formuliert werden. Solange uns die patriarchale Sprachpolizei aber weiterhin schnappatmend das generische Maskulinum zwangsverordnet, werden ganze Menschengruppen unsichtbar gemacht und diskriminiert.

Ein weiteres Problem ist es, wenn diejenigen, die geschlechtergerechtere Sprache abwehren, dabei unhinterfragt mit Begriffen wie „Genderwahnsinn“ um sich werfen dürfen. So geschehen zum Beispiel durch Unions-Fraktionsvize Thorsten Frei, als dieser sich zum Gesetzentwurf Lambrechts äußerte. Viele Medien zitierten seine Aussage, doch ordneten sie nicht ansatzweise ein, dass solche Begriffe Anschlussvokabeln an rechte Ideologie darstellen.

Dabei wird der Gender-Begriff schon seit Jahren gerade aus dem rechten Lager mit Falschbehauptungen und Lügen aufgeladen, um ihn immer weiter von seiner wahren Bedeutung zu entfernen und ihm Bedrohungsszenarien anzudichten. Diese Anti-Gender-Rhetorik spielt eine zentrale Rolle, um rechte Denkweisen gesellschaftsübergreifend salonfähig zu machen. Ein Bewusstsein dafür herrscht in deutschen Redaktionen allerdings kaum, obwohl vor allem Journalist_innen, die jeden Tag mit Sprache arbeiten, um die Geschehnisse der Welt abzubilden und zu vermitteln, sich dort ihrer Sprachverantwortung absolut bewusst sein müssen.

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