Windbeutel

Mail aus Amerika

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Windbeutel

Mail aus Amerika

Immer mit eher zwei Schattierungen zu viel künstlicher Bräune ausgestattet und einer Mimik, die nur zwei Varianten im Angebot hat: zutiefst beleidigte Leberwurst oder überdeutlich überheblich belustigt und der immer gleichen Masche, seine gehässigsten und dümmsten Kommentare als Fragen zu formulieren – um mit gespielter Unschuld hinterherzuschieben: Just asking questions.

Tucker Carlson vom notorisch Donald Trump verherrlichenden US-Fernsehsender Fox News mutet eigentlich wie die Erfindung einer satirischen Netflix-Serie an, „House of Windbags“.

Seit Joe Biden Präsident ist, verteufeln die „Stars“ von Fox News wie Carlson, Laura Ingraham oder Sean Hannity in ihren täglichen Sendungen – die sich mit Nachrichten, Informationen, tatsächlichen Berichten erst nicht mehr aufhalten, sondern sich gleich selbst opinion shows nennen – alles, was Biden sagt oder tut. „Meinung“ wäre gleichwohl schon zu hoch gegriffen, es handelt sich mehr um ranting, geifern.

Früher, das heißt vor Trump, pflegte das konservative Lager in den USA eine, freundlich gesprochen, gehörige Dosis Skepsis gegenüber Russland, ihre Lichtgestalt Ronald Reagan hatte 1983 in einer berühmten Rede von der Sowjetunion als evil empire, dem „Reich des Bösen“ gesprochen, dem „Kristallisationspunkt des Bösen in der modernen Welt“. Die Klügeren in der Partei waren in den vergangen vier Jahrzehnten durchaus zu einem differenzierten Umgang mit Russland in der Lage. Aber die gegenwärtige Position des Trump- und Fox-Lagers, das die Republikaner de facto übernommen hat, ist an einer ernsthaften Debatte ohnehin nicht interessiert. Owning the libs, die Liberalen der Demokratischen Partei zu trollen, die Fangemeinde zum Grölen zu bringen, die Backen aufzublasen, darum geht es.

Mit Beginn des Krieges hatte Carlson sich einen ganzen Fragenkatalog (oder handelt es sich womöglich um ein Gedicht?) zurechtgelegt, mit dem er verdeutlichen wollte, dass Biden und Co. völlig grundlos Wladimir Putin mit Verachtung bedachten: „Hat Putin mich jemals als Rassist bezeichnet? Hat er damit gedroht dafür zu sorgen, dass ich gefeuert werde, weil ich nicht seiner Meinung sei? Hat er dafür gesorgt, dass sämtliche Mittelklasse-Jobs meiner Stadt nach Russland abgewandert sind? Hat er eine weltweite Pandemie erzeugt, die mein Geschäft dahingerafft und dafür gesorgt hat, dass ich zwei Jahren drinnen verbringen musste? Lehrt er meine Kinder, rassische Diskriminierung gutzuheißen? Stellt er Fentanyl her?“ Und schließlich: „Isst er Hunde?“

Vor zwei Jahren musste Carlson sich vor Gericht verteidigen. Er war in New York der Verleumdung angeklagt. Der Fernsehstar gewann, die Klage wurde zurückgewiesen. Die Urteilsbegründung hatte es gleichwohl in sich. Die Richterin Mary Kay Vyskocil, übrigens nominiert von Trump, schrieb, die „allgemeine Grundhaltung der Sendung“ sollte bei den Zusehern zu verstehen geben, dass Carlson nicht „tatsächliche Tatsachenbehauptungen“ über die jeweiligen Themen von sich gebe, sondern „Übertreibungen“ und „nicht wörtlich zu verstehende Kommentierungen.“

Mithin, wie es der amerikanische Philosoph Harry Frankfurt einst in akademischer Wendung ausdrückte: Bullshit.

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