Zäsuren

Kolumne | Auf den Zweiten Blick

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Zäsuren

Kolumne | Auf den Zweiten Blick

Man kann Sterne sprechen. Und auch Unterstriche. Nachrichtensprecher und Moderatoren tun es inzwischen und sonst alle, die einer geschlechterneutralen Sprache das Wort reden. Was die Autorin dieser Zeilen augenscheinlich nicht tut, sonst hätte sie Nachrichtensprecher*innen oder Moderator*innen geschrieben.

Unübersehbar geht es an dieser Stelle um das Gendersternchen, diese kleine Applikation am Ende eines generischen Maskulinums, hinter den dann noch die weibliche Form gesetzt wird, das „innen“ also. Die Sprechanweisung des Sternchens ist denkbar simpel: Mit einer Zehntelsekunde Verzögerung, einer klitzekleinen Aufmerksamkeitszäsur stolpert das „innen“ hinterher.

Die Argumente dafür sind hinreichend diskutiert: Wenn Sprache das Denken prägt, dann befördert die Benutzung des generischen Maskulinums die unbewusste Voreingenommenheit in unseren Köpfen. Jene nämlich, dass es in unserer Gesellschaft vor allem um die Männer geht.

Nur, stimmt das eigentlich? Wer sagt denn, dass man, wenn von Lehrern im generischen Maskulin die Rede ist, wenn also Lehrerinnen auch gemeint sind, sofort ein ausschließlich männliches Kollegium vor Augen hat? Genau das ist sicher nicht der Fall. Denn das Gros des Lehrpersonals ist weiblich. Bei Ingenieuren verhält es sich anders. Weil Ingenieurinnen noch immer in der Unterzahl sind, wird man bei Gebrauch des Maskulinums tatsächlich eher an Männer denken. Und wenn man von Flugbegleitern spricht, kommt vielen sicher erst einmal die Armada von Stewardessen in den Sinn, die ihre Rollkoffer in Richtung Ausgang ziehen. Hingegen würde bei Räubern, Dieben, Betrügern, Schlägern, Rechtsradikalen, Steuerhinterziehern oder Alkoholikern wahrscheinlich kaum jemand sofort an Frauen denken. Genauso wenig allerdings, wenn von „dem Vorstand“ gesprochen wird, weil Leadership in Deutschlands Unternehmen noch immer männlich ist. Ob allein das Wort „Vorständ*innen“ daran etwas ändern würde?

Nicht die Sprache prägt die Wahrnehmung des Geschlechts, sondern die Erfahrung. Es gibt mehr männliche Kriminelle als weibliche, mehr Männer in Technikberufen, mehr Frauen in der Pädagogik der Sekundarstufe 1 und 2. Es wäre schön, wenn sich die Geschlechter gleichmäßiger auf die Berufe und auch die Macht verteilten. Doch erreicht man das mit einer geschlechterneutralen Sprache? So lange das Gehirn mehr männliche Monteure sieht als weibliche, wird auch ein Monteur*innen nichts daran ändern. Es gibt viele Möglichkeiten, Geschlechtergerechtigkeit in einer Gesellschaft zu befördern. Ein erzwungenes Sternchen gehört sicher nicht dazu. Zumal „frau“ bei so manchem generischem Maskulin tatsächlich lieber außen vor bleibt.

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