Eindämmung

Editorial des Verlegers

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Eindämmung

Editorial des Verlegers

Liebe Leserinnen und Leser,

für diese Ausgabe des Hauptstadtbriefs am Samstag konnten wir Ulrich Frei gewinnen, eine Zwischenbilanz zu ziehen zum einjährigen Coronajubiläum – ja, auch meine Begeisterung hält sich in Grenzen.

Frei, bis vor wenigen Wochen Vorstand Krankenversorgung der Berliner Charité, legt in seinem Beitrag dankenswert deutlich die deutschen Schwächen in Sachen Pandemiebekämpfung dar. Und man spürt darin seine differenzierte, aber doch substantielle Unzufriedenheit, zumal angesichts der doch in vielen Punkten so soliden Infrastruktur in unserem Land. Dazu kommen aber eben auch politische Dynamiken und eine Bevölkerung, die kleinere und größere Unvernünftigkeiten begeht – was bei aller gerechtfertigten Kritik an der bislang gehörig ruckelnden Impfkampagne nicht vergessen werden sollte.

Neue Produktionsstätten hin, Virusmutanten her, Freis Plädoyer ist eindeutig: Nur mit konsequenter Eindämmung kommen wir dem Virus bei. Das heißt: „Von Lockerung noch keine Spur.“

Tom Stevensons Beitrag für diesen Hauptstadtbrief über die Debatte um die Gaspipeline Nord Stream 2 hat mich verblüfft. Der Text des internationalen Korrespondenten der London Review of Books ist ein Musterbeispiel dafür, wie lohnenswert und erkenntnisfördernd der Blick von außen auf deutsche Debatten sein kann. Stevenson klärt in einer Weise über Zusammenhänge, echte und falsche, politische und energieversorgungstechnische Abhängigkeiten auf, wie ich es in der Debatte an keiner anderen Stelle lesen konnte. „Russlands Rolle als Gaslieferant für Europa stellt keinen strategischen Hebel bereit“, schreibt Stevenson, „wie ihn etwa die Vereinigten Staaten mit der Kontrolle über die Lieferungen von kohlenwasserstoffbasierten Ressourcen aus dem Persischen Golf nach Ostasien besitzen, denn Russland ist weitaus mehr auf die Einnahmen aus dem Energieverkauf angewiesen als umgekehrt Europa auf die Lieferung russischen Gases.“

Der Londoner Korrespondent schreibt seine Analyse in einer angenehm sachlichen Nüchternheit, aber auch mit klaren Worten in Richtung europapolitischem Gebaren der Bundesregierung. Wer in der Debatte um Nord Stream 2 auf höchstem Niveau teilhaben will, kommt an Stevensons Beitrag nicht vorbei.

Mit herzlichen Grüßen verbleibe ich – bis morgen

Ihr Detlef Prinz

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