Bequeme Verdammungen

Postskriptum

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Bequeme Verdammungen

Postskriptum

Die deutsche Kriegsdebatte dreht sich mit verbissener Vorliebe um offene Briefe, in denen gefordert wird, Berlin solle sich um Friedensverhandlungen bemühen, auf „beide Seiten“ einwirken, einen Weg aus der Eskalation weisen, überhaupt, wieder – süßes Zauberwort – Diplomatie betreiben. Dagegen wäre, solange es nicht naiv bis infam gemeint ist, nichts einzuwenden. Aber sollte ein Waffenstillstand bis dato wirklich an Deutschland, Europa oder dem „Westen“ gescheitert sein?

Letzterer ist für die Putinversteher von rechts und links natürlich nur ein Codewort für die böse Pax Americana – und am Ende ist Washington der Hauptschuldige allen Unheils.

Tim McTague hat jüngst im Atlantic die verquickte Wirkung und Wahrnehmung der USA im Ukrainekrieg mit einiger Scharfsicht beschrieben. Der britische Journalist erklärt das Selbstverständnis der amerikanischen Polit-Elite, demnach die USA eine „Macht des Guten“ sei, unverzichtbar auf der Welt und von „universalen“ Werten geprägt. Ja, diesen würden sie von Fall zu Fall nicht hinreichend gerecht, und ja, mitunter müsste man die dirty work einer Supermacht erledigen, aber im Kern seien die USA doch besser als frühere Weltmächte, da sie dem Wohl aller, nicht nur dem eigenen, dienten. Die Ukraine, die ohne US-Unterstützung längst geschlagen wäre, könne dies nur bestätigen.

McTague vergisst nicht, die Liste katastrophaler Fehlschläge und Irrtümer aufzuzählen. Es geht nicht um eine irrealpolitische Apologetik.

Er spießt gerade die „bequeme Form des ethischen Egoismus“ (Henry Kissinger) auf, die die USA glauben lässt, dass ihr Wirken für alle gut sei. Das große Paradoxon dieser „dummen Vereinfachung“ sei, dass sie zugleich offensichtlich vorgespielt und prinzipiell wahr sei – die Quelle der außenpolitischen Desaster und der notwendige Mythos, ohne den die Welt ein noch brutalerer Ort wäre. Bei allen Verfehlungen, kein westlicher Außenminister wolle sich in einer Welt ohne Washington wiederfinden.

Just in dieser unauflöslichen politischen Dialektik dürfte das Unbehagen an den USA begründet liegen, das nicht in dumme Vereinfachung umschlagen sollte.

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