Keine Kleinflugzeuge im Bauch

Neues von der Opposition: Markus Söder und Friedrich Merz testen die Stimmung in Sachen K-Frage

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PICTURE ALLIANCE/DPA
Vorbilder: Der bisher einzige Ministerpräsident der Union, der aus einer Landeshauptstadt ins Kanzleramt umzog: Kurt Georg Kiesinger. Vom Fraktionsvorsitz im Bundestag gelang dies zuletzt – Angela Merkel.
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Vorbilder: Der bisher einzige Ministerpräsident der Union, der aus einer Landeshauptstadt ins Kanzleramt umzog: Kurt Georg Kiesinger. Vom Fraktionsvorsitz im Bundestag gelang dies zuletzt – Angela Merkel.

Keine Kleinflugzeuge im Bauch

Neues von der Opposition: Markus Söder und Friedrich Merz testen die Stimmung in Sachen K-Frage

Sie haben wieder zusammengefunden. CDU und CSU tun alles, um zu zeigen: Zwischen den Schwesterparteien läuft es nun wieder. Auf das Verhältnis untereinander angesprochen, werden führende Unionspolitikerinnen nicht müde zu betonen, dass man sich eng abstimme, oft miteinander spreche – die Zeiten, in denen sich CDU und CSU vor allem gestritten haben, sollen vorbei sein. Profitiert hat schließlich keine der beiden Parteien davon: 2018 zerbrach über einen Streit in der Asylpolitik fast die Fraktionsgemeinschaft. 2021 – nachdem man sich geschworen hatte, 2018 dürfe sich nicht wiederholen – brach ein Kampf über die K-Frage los, bei dem sich am Ende die CDU durchsetzte, aber die Union insgesamt bei der Bundestagswahl verlor, was selbst sechs Monate zuvor kaum denkbar erschienen war. Nun also wieder Friede, Freude, Flammkuchen. Oder?

Ein Blick unter die Oberfläche zeigt: Ausschließlich harmonisch scheint es nicht zu laufen. Was nun auch nicht verwunderlich ist – schließlich handelt es sich um zwei Schwestern und nicht eine Partei. Gerade der CSU, der Partei, die nicht nur das schöne Bayern erfunden hat (Herbert Riehl-Heyse), ist die Darstellung ihrer Eigenständigkeit wichtig, vor allem vor den bayerischen Landtagswahlen – als die Begriffe noch etwas unschuldiger klangen, auch gern Mutter aller Schlachten genannt.

Aber genau diese Wahl – oder besser der dazugehörige Wahlkampf – könnte noch zur Bruchstelle für das vorgeblich ach so gute Parteien-Verhältnis werden.

Denn die CSU kratzt in den Umfragen zwar immer mal wieder an der 40-Prozent-Marke – übrigens ein Wert, bei dem sich Edmund Stoiber zu Beginn des Jahrtausends freiwillig zur Gartenarbeit in Wolfratshausen gemeldet hätte –, aber diese zu überspringen gelingt ihr schon seit Monaten nicht mehr. Das führt im Moment zu altbekannten Tönen bei den Christsozialen: Bavaria first, immer gemischt mit einer Prise Populismus. Gerade in der durch Putins völkerrechtswidrigen Angriffskrieg verstärkten Energiekrise geht Markus Söder in die Offensive. In seiner Rhetorik skizziert er ein dunkles Szenario für Deutschland – für das er nur einen Schuldigen ausmacht. Da kommt die Ampel jenseits des Weißwurstäquators in der fernen Hauptstadt natürlich gerade recht. Wer redet da noch vom eigenen Unwillen und anderen Versäumnissen in der Vergangenheit beim Ausbau von Erneuerbaren Energien und Stromleitungen? Es wirkt, als würde die CSU schon mal vorbauen, wenn kurz vor der Landtagswahl im kommenden Jahr die Wirtschaftslage tatsächlich schwieriger wird als jetzt: Wir sind’s nicht gewesen.

Die Frage ist allerdings: Wird das ein Kurs, den die Schwesterpartei ohne Wenn und Aber unterstützen kann? Gerade wo man in Berlin eigentlich bemüht ist, die Balance zwischen Krawall und konstruktiver Opposition zu finden.

Hinzu kommt: Das persönliche Verhältnis zwischen Markus Söder und Friedrich Merz ist kaum einzuschätzen. Nach außen hin scheinen die beiden gut zusammenzuarbeiten, aber es gibt keine Hinweise darauf, dass beide auch richtig warm miteinander werden. Wer könnte sich die beiden Männer beim Weißbier vorstellen, bei dem sie über Strategien oder Kleinflugzeuge fachsimpeln?

Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, die den Eindruck erhärten, dass beide Alphatiere nur zusammenarbeiten, weil sie es müssen. Bei der Klausur der CSU-Landesgruppe in Kloster Banz waren beide – aber nicht zur selben Zeit. Und konnten so auch keine strahlenden Selfies bei Instagram veröffentlichen. Vielleicht wollten sie es nur nicht Christian Lindner und Robert Habeck (und Annalena Baerbock und Volker Wissing) nach der Bundestagswahl gleichtun. Aber 2022 gilt frei nach Paul Watzlawick: Auch wer nicht postet, postet.

Denn nicht, dass Markus Söder die Kunst des Subtweets nicht beherrschte. Auf dem Kurznachrichtenkanal betonte er, welchen bedeutenden persönlichen Anteil die beiden siegreichen Ministerpräsidenten bei den Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen gehabt hätten. Kein Wort kam ihm hingegen über die Fingerkuppen zur Bundes-CDU oder deren Vorsitzenden Merz, der beide Wahlen natürlich auch als eine Bestätigung seiner Person verstanden wissen wollte. Ein anderes Mal retweetet Söder eine Umfrage, die ihn in Sachen K-Frage auf Platz 1 vor Merz und anderen Kandidatenkandidaten sieht. Den Geist des Subtweets bestätigte Söder dann auch noch, indem er hinterherschob, mit seinem Gezwitscher natürlich keine Aussage getroffen haben zu wollen. Was auch sonst.

Apropos K-Frage: Nicht zuletzt muss die Union in rund zwei Jahren schon wieder entscheiden, wer für sie als Kanzlerkandidat (oder vielleicht auch -kandidatin) ins Rennen geht. Das erscheint momentan noch weit weg, und das Trauma der Wildwestentscheidung für Armin Laschet und gegen Söder im vergangenen Jahr sitzt noch tief. Der gute Vorsatz lautet: Es wird nur noch gemeinsam entschieden. Aber wieder gibt es nach heutigem Stand für just diesen Prozess noch viele Unbekannte: Das gilt schon nur für die CDU. Denn neben Merz werden auch Daniel Günther und Hendrik Wüst, jene zuletzt siegreichen Ministerpräsidenten aus Kiel und Düsseldorf, immer wieder als potenzielle Kandidaten genannt – sie holten schließlich für die CDU Ergebnisse, die sich die Partei zuvor selbst kaum zugetraut hätte.

Und dann ist da ja noch der Mann aus dem Süden. Momentan präsentiert sich Söder als bayerischer Landesvater, lässt kein Volksfest, keinen Umzug aus – ist „nah bei den Leut“, Berlin scheint weit weg. Aber falls Söder die Landtagswahl 2023 erfolgreich besteht, sollte nichts ausgeschlossen werden. Er selbst hat sich eine Begrenzung von zwei Amtszeiten auferlegt – 2028 wäre also Schluss für ihn als Ministerpräsident. Danach gibt es nur noch eine Steigerung. Für die CSU dürfte auch entscheidend sein, welchen Kurs andere mögliche Kandidaten einschlagen. Denn sowohl Günther als auch Wüst regieren nun mit den Grünen – für manchen CSUler ein Graus. Auch Söder selbst hat das – sein Flirt mit den Bienen stammt aus einer anderen Epoche – jüngst für Bayern ausgeschlossen. Er sucht die größtmögliche Distanz, weil es im Moment auch die größtmögliche Konkurrenz ist. Auch das dürfte dann eine Rolle spielen.

Diese Frage wird die Union aber voraussichtlich frühestens Anfang 2025 treffen – bis dahin wird noch viel Wasser die Spree und die Isar hinunterfließen. Und was über allem schwebt: die Erfahrung der vergangenen Jahre. CDU und CSU ist nochmal sehr deutlich gemacht worden, dass sie aufeinander angewiesen sind. Sonst wird das nichts mit den Followern.

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